Die französische Künstlerin Annette Messager (geb. 1943) zählt zu den wichtigsten Persönlichkeiten der aktuellen internationalen Kunstszene. Auf grund legende Art hat sie mit ihren Arbeiten das Terrain für ganze Generationen jüngerer französisch er Künstler vorbereitet. Dennoch liegt ihre letzte Einzelausstellung in einem deutschen Museum fast 25 Jahre zurück. Die Ausstellung Annette Messager. Exhibition/Exposition im K21 Ständehaus der Kunstsammlung Nordrhein-West falen bietet nun die Möglichkeit, Annette Messagers Werk neu zu entdecken. Gezeigt wird nicht nur ihre raumgreifende Installation Sous vent (2004–2010), sondern auch Arbeiten, die Messager s eit den späten 1980er Jahren bis heute geschaffen hat. Eige ns für die Ausstellung im K21 sind ihre 68 Zeichnungen der Installation Les Interdictions en 2014 entstanden.Die Installation Sous vent hat die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen 2011 ang ekauft und damit ihre Sammlung um eine wichtige Position zeitgenössi scher Kunst bereichert. Diverse Objekte wie eine übergroße Hand, ein Fuß, Organe oder Stofftier e sind von einem schwarzen Seidentuch bedeckt, das die Luftströmung aus drei Ventilatoren in Bewegung setzt. Mit diesem Werk bezieht sich die Künstlerin auf die Naturgewalten, aber auc h auf das Unbewusste und auf Ängste, die in tieferen Schichten verborgen liegen. Während der Au sstellung Annette Messager. Exhibition/Exposition ist Sous vent erstmals in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in einer Installationslänge von über 20 Metern zu sehen.
In mehr als 40 Jahren künstlerischer Aktivität hat Annette Messager eine sehr eigene, konzentrierte Bildsprache entwickelt. Arbeitete sie Anfang der 19 70er-Jahre noch hauptsächlich mit ausgestopften Vögeln, Strickereien und Bildkollektionen, so weite t sich ihr Material- und Themenspektrum schnell aus. Hinzu kommen Fotografien, Installationen mit P lüschtieren und Kleidern, um die menschliche Identität, die Klischees der Frau und die Rolle der Geschlechter in der Gesellschaft zu untersuchen. Insbesondere der menschliche Körper und seine Attri bute spielen bei Messager eine zentrale Rolle. Sie werden von der Künstlerin zerstückelt, um dann mit Fäden und Netzen zu etwas Neuem zusammengeflochten zu werden. Durch das Ansammeln u nd Aneinanderreihen auch feingliedrigster Elementen entsteht bei Messager ein bildgewaltiger Kosmos.
Ab 2001 schafft die Künstlerin auch mechanische Sys teme, die die Bewegung in die Installation einbeziehen. Zu diesen Arbeiten zählt neben Sous vent auch Motion-Emotion (2009–2014). Hier werden der Menschen und seine Attribute als tänzeln de Figuren dargestellt. Ventilatoren am Boden bringen von der Decke hängende Stoff- und Kleiderel emente ins Pendeln. Die Stoffformationen tänzeln in den leichten Luftströmen auf und ab. Ste ht der Wind, genau wie in Sous vent , als Symbol des Lebens und der Energie, so stellen die Fäden, a n denen die filigranen Figuren hängen, das zerbrechliche Verbindungsstück zwischen einem feste n Halte und dem Menschen dar.
Zu den jüngsten Arbeiten von Annette Messager gehör en auch Continents noirs (2010–2012) und Mes Transports (2012–2013). Die Installation Continents noirs besteht aus schwarzen Elementen, die wie kleine Inseln in der Luft schweben. Durch i hr zerknittertes Aussehen scheinen sie sowohl zum animalischen wie zum mineralischen Reich zu geh ören. Inspiriert durch Gullivers Reisen geht das Werk aber auch auf die Aussage von Sigmund Freu d zurück, der weibliche Sexualität mit einem schwarzen Kontinent verglichen hat. Dem Werk Mes Transports haftet die Dualität „düster- spielerisch“ an. Schwarze Elemente, die sich aus di versen menschlichen und tierischen Figuren zusammensetzen, stehen auf kleinen, mit Transportde cken belegten Rollwagen. Die Bewegung wird nur durch diese Transportmöglichkeit angedeutet. Be ide Werke vermitteln etwas Archaisches, könnten aber auch als mögliche Kulisse eines Scienc e-Fiction-Films dienen. Durch die schwarze Farbe und die unebene Oberfläche muten die Kontinen te und die kleinen Skulpturen fragil an, als würden sie nur aus Kohle bestehen und als wären sie Überreste einer postapokalyptischen Welt.
Für die Ausstellung Annette Messager. Exhibition/Exposition sind auch neue Arbeiten wie Les Interdictions en 2014 entstanden. Die 68 Zeichnungen, eine Anspielung au f den revolutionären Pariser Mai 1968, stellen unterschiedliche Verbote aus der ganzen Welt dar. Die Palette reicht von alltäglichen Einschränkungen wie dem Fotografier- o der Rauchverbot bis zu kulturell-politisch begründeten kritischen Gesetzen, wie etwa dem Autof ahrverbot für Frauen in Saudi-Arabien. Auch hier spricht Annette Messager auf poetische und hum orvolle Weise ernste Themen an, die den Menschen in seinem Alltag beschäftigen und bestimme n.