Nanda Vigo war eine außergewöhnlich entschlossene Frau, die ich persönlich sehr bewundere. In einer von Männern dominierten Welt schaffte sie es, sich als Architektin, Designerin und Künstlerin zu etablieren. Ihr Weg war nicht einfach, doch sie zeigte Durchhaltevermögen und Kreativität, um sich in einem Umfeld durchzusetzen, das Frauen oft verschlossen blieb.Vigo wurde 1936 in Mailand geboren, in eine kunstaffine Familie. Bereits im Alter von fünf Jahren hatte sie eine Schlüsselerfahrung, als sie in Como die „Casa del Fascio“, entworfen 1936 vom Architekten Giuseppe Terragni, zum ersten Mal sah. Sie war von der Architektur fasziniert, vor allem, davon, wie das Licht im Raum spielte und mit dem Gebäude interagierte. Dieses Interesse am Zusammenspiel von Licht und Raum wurde zu einem zentralen Merkmal ihrer Kunst.
Nach ihrem Architekturstudium am Institut Polytechnique in Lausanne eröffnete Vigo 1959 im Alter von 26 Jahren ihr eigenes Studio in Mailand. Dort kam sie schnell mit bedeutenden Künstlern wie Lucio Fontana, Enrico Castellani und Piero Manzoni in Kontakt. Dank dieser Kontakte reiste sie durch Europa und lernte die Künstler*innen der ZERO-Bewegung aus Deutschland, den Niederlanden und Frankreich kennen. In den 1960er Jahren war Vigo eine der wenigen Frauen, die sich in dieser avantgardistischen Bewegung als festes Mitglied etablieren konnte. Der Austausch und die Zusammenarbeit mit diesen internationalen Künstler*innen, die wie sie das Ziel hatten, die traditionellen Grenzen der Kunst zu überwinden, indem sie mit neuen Formen, Materialien und Farben experimentierten, prägte sie sehr und inspirierte ihr Schaffen maßgeblich.
Für ihre Werke verwendete Vigo vornehmlich Aluminium, Industrie Glas, Kunststoff und Neonlicht. 1959 schuf sie die ersten „Chronotopi“, ihre wohl wichtigste Werkreihe. Diese Bildobjekte, die sie als „Assemblaggi“ (Baugruppen) und nicht als Skulpturen bezeichnete, waren Kästen bestehend aus Aluminiumrahmen und übereinandergelegten Glasscheiben. Dafür verwendete sie Industrieglas, das teils klar, teils texturiert war. Das Licht, das durch die Objekte fiel, transformiert und neu zusammengesetzt wurde. Die „Chronotopi" befassten sich mit der Beziehung zwischen Raum, Zeit und Licht-Transparenz, daher der Name, der sich aus den zwei griechischen Wörtern Cronos (Zeit) und Topos (Ort) zusammensetzt.
Für Vigo war das Licht ein greifbares, veränderbares Element, das in ständigem Dialog mit Raum und Umgebung steht. Ihre Arbeit basiert auf der Abwesenheit von Farbe, die von natürlichem oder künstlichem Licht ersetzt wird. Vigo verstand ihre Arbeiten als Synthese aus Architektur, Design und Kunst, die untrennbar miteinander verbunden sind. Ihre Werke forderten nicht nur die ästhetischen Normen ihrer Zeit heraus, sondern spielen auch mit unserer Wahrnehmung von Raum, Licht und Zeit.
Für mich ist Nanda Vigo nicht nur eine visionäre Künstlerin, sondern auch eine mutige und inspirierende Persönlichkeit, die trotz widrigen Umstände ihren Weg entschlossen verfolgte. Ihr Beitrag zur Kunst-, Architektur- und Designwelt ist von unschätzbarem Wert.
Teresastudiert Kunstgeschichte und Französisch in Düsseldorf und ist größtenteils, wie Nanda Vigo auch, in Italien aufgewachsen.