Die Ausstellung mit dem Titel „Wo die wilden Striche wohnen. Bücher und Illustrationen für Kinder“ präsentiert über 170 illustrierte Bücher aus über 25 Ländern und spannt einen historischen Bogen von 1870 bis in die Gegenwart. Dem Fokus eines Designmuseums entsprechend, stellt sie nicht die Erzählungen in den Mittelpunkt, sondern die Gestaltung der Bücher.Der Rundgang ist in zwei Teile mit jeweils vier Kapiteln geteilt. Den Auftakt bilden die um 1900 entstandenen Spielbilderbücher von Lothar Meggendorfer. Seine Aufstellbücher, wie der „Internationale Circus“ oder „Das Puppenhaus“ setzten um 1900 völlig neue Maßstäbe, indem sie Kinderbuch und Spielzeug in einem Objekt zusammenführten. Drei chronologisch geordnete Vitrinengruppen führen in der ersten Hälfte des runden Ausstellungsraums weiter von 1900 bis in die Gegenwart. Sie zeigen Schätze der eigenen Sammlung, die sich auch dadurch auszeichnen, dass das Museum von Anfang an Wert darauf gelegt hat, international zu sammeln. Das ermöglicht es heute, in diesem Bereich nicht nur deutsche, sondern auch beispielsweise englische, französische, finnische sowie ein estnisches oder ein lettisches Kinderbuch zu zeigen. Über Meilensteine der Kinderbuchgestaltung wie Jean de Brunhoffs Elefanten „Babar“ (1933), der das großformatige, farbige Bilderbuch einführte, oder Raymond Briggs „Father Christmas“ (1973), der sich durch horizontale Streifen schlechten Wetters kämpfen muss, führt die Ausstellung die Besucher*innen in die Gegenwart. Hier werden Höhepunkte des internationalen, zeitgenössischen Kinderbuchs gezeigt, dessen gestalterische und stilistische Vielfalt als Zeugnis eines gegenwärtigen goldenen Zeitalters des Kinderbuchs angesehen werden kann.
Der zweite Teil der Ausstellung stellt vier verschiedene Prinzipien und Merkmale in den Fokus. Die erste Gruppe von Vitrinen zeigt Beispiele des gezielten Einsatzes von Farbe, von ihrer Abwesenheit im Schwarzweiß über das Spiel mit drei Farben und Primärfarben bis hin zur Farbexplosion. Unter der Überschrift Zeichen widmet sich die zweite Gruppe Büchern, in denen Schrift, Zahlen oder ganz bestimmte Formen, wie beispielsweise Punkte oder Quadrate, zum Gestaltungsprinzip erhoben sind. Die dritte Gruppe mit der Überschrift Perspektive stellt Kinderbücher nebeneinander, die aus gewohnten Sehgewohnheiten ausbrechen, sei es, dass sie aus der Perspektive von Zwergen oder Riesen erzählen, sei es, dass sie den Blick weiten und aus der Vogelperspektive auf die Welt schauen oder aber ausschnitthaft ganz nah an ihre Protagonisten herangehen. Den Abschluss bildet das Thema Raum, in dem Beispiele gezeigt werden, die sich nicht mit der flachen Seite begnügen, sondern in die dritte Dimension streben. Das Spektrum reicht von der durchbrochenen Seite, über Klapp- und Legebücher bis hin zum Pop-Up-Buch.
Die interaktive Ausstellungsarchitektur von Carina Deuschl greift den Titel der Ausstellung auf und präsentiert die Exponate in häuserförmigen Schränken, in denen die Bücher „wohnen“. Diese vertikale Präsentation erfüllt zwei Zwecke: Sie bietet Besucher*innen aller Altersstufen und Körpergrößen freien Blick auf die Bücher. Gleichzeitig schützen die Türen sie vor Lichteinfall. Sitzbänke und Lesepulte laden die Besucher*innen darüber hinaus dazu ein, ausgewählte Bücher in voller Länge zu entdecken.
Mehrere Kommentarebenen zeitgenössischer Gestalter*innen bereichern die Ausstellung: Ins Bild gesetzt und kommentiert werden alle Ausstellungsthemen durch die Wandzeichnungen, die Christoph Niemann eigens für die Ausstellung entworfen hat. Den Ausstellungstitel aufgreifend, spielt er in seinen Darstellungen mit dem Mit- und Gegeneinander von Linie und Fläche. Niemanns Zeichnungen auf der Balustrade des Raumes bilden gleichzeitig das Leitsystem zu den Themengruppen der Ausstellung. Sechs animierte Kurzfilme knüpfen an Gestaltungsansätze ausgestellter Bücher an und führen diese in neuen, eigenständigen Bilderzählungen weiter. Sie wurden von Studierenden der Münster School of Design der Fachhochschule Münster, betreut von Prof. Henning Tietz, speziell für die Ausstellung entwickelt.
Zur Ausstellung erscheint ein von Ariane Spanier gestalteter Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König. Er gibt mit über 400 Abbildungen einen Einblick, der über die ausgestellten Seiten der Bücher hinausgeht und durch Texte internationaler Expert*innen auf dem Gebiet der Kinderbuchforschung ergänzt wird.
Mit dieser Ausstellung, die ein Thema aus den Gründungsjahren des Museums aufgreift, verweist Die Neue Sammlung schon jetzt auf ihr hundertjähriges Museumsjubiläum 2025/2026.
Kuratorin der Ausstellung: Caroline Fuchs