Wie kaum ein anderer Sammler konzentriert sich der Kunsthistoriker Hartwig Garnerus (*1943) auf die eindringliche und vielschichtige Darstellung der menschlichen Figur, insbesondere in der Kunst zwischen den Weltkriegen – vom Spätexpressionismus bis zur Neuen Sachlichkeit. Die repräsentative Auswahl von 70 Werken der Sammlung stellt Gemälde und Plastiken gegenüber und beinhaltet u.a. Werke der Maler Helmut Kolle, Karl Hofer und Carl Lohse sowie der Bildhauer:innen Marg Moll, Emy Roeder und Gerhard Marcks.Die Aufmerksamkeit des Sammlers gilt verinnerlichten Figurendarstellungen und Porträts, die Melancholie, Stille und Reflexion ausdrücken, aber zugleich von Sehnsucht, Lebenslust und Vitalität geprägt sind. Die in der Sammlung am umfangreichsten vertretenen, von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamierten Künstler Helmut Kolle und Karl Hofer vereint eine Malerei, die klassische Traditionen in der Moderne neu formuliert: Auf der Suche nach einer monumentalen Figurendarstellung und einem Ideal humanistischer Schönheit, das gegen die Katastrophen und Verletzungen des 20. Jahrhunderts verteidigt wird. Aus konkreten gesellschaftlichen und genrehaften Zusammenhängen der 1920er und 1930er-Jahre herausgelöst, laden die nachdenklichen Einzelfiguren der Sammlung – gebrochene und empfindsame Held:innen der Moderne – zum intensiven Dialog mit den Betrachter:innen ein.
Der Blick nach Frankreich und seine Eleganz der Malkultur bildet das zweite Leitmotiv der Sammlung. Mit Werken von Oskar und Marg Moll beinhaltet die Sammlung deutsche Künstler:innen der Académie Matisse in Paris. Mit Otto Freundlich, Walther Ophey oder Carl Hofer sind Künstler mit Werken vertreten, die von der großen Bedeutung der französischen Moderne für ihr Œuvre zeugen. Den Mittelpunkt der Sammlung bildet eine Gruppe von 36 Gemälden des bereits mit 32 Jahren früh verstorbenen Malers Helmut Kolle (1899–1931), der im Umfeld des legendären Kunsthistorikers Wilhelm Uhde im Paris der 1920er-Jahre als einer der wenigen deutschen Künstler glänzende Erfolge feierte.
Dr. Hartwig Garnerus ist Träger des Bayerischen Verdienstordens und langjähriger großzügiger Förderer und Wegbegleiter der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Garnerus promovierte in Kunstgeschichte bei Willibald Sauerländer, war 1973 bis 1983 als Kurator für den Sammler Theo Wormland tätig und 1983 bis 2013 Gesellschafter der Wormland-Unternehmen sowie Geschäftsführer der Theo Wormland-Stiftung. Aus der Unterstützung des Museums durch Ausstellungs- und Publikationsförderung sowie Erwerbungen ist der Aufruf zur Spendeninitiative für den Bau der Pinakothek der Moderne besonders hervorzuheben. Seit den 1980er-Jahren baute Hartwig Garnerus mit großer Konsequenz seine eigene Kunstsammlung auf und kuratierte Ausstellungen zu Helmut Kolle und Karl Hofer.
Kurator: Dr. Oliver Kase, Sammlungsleiter Klassische Moderne, Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne