Die Objekte von Isabelle Enders (*1979) fordern uns stets auf, ver- traute Nutzungsgewohnheiten über Bord zu werfen und sich auf Ungewohntes im Bekannten einzulassen. Die Werkgruppen der Pfeffermühlen sind hierfür beispielhaft. Mit diesem Gebrauchsgegen- stand setzt sich die gelernte Silberschmiedin, die in Nürnberg bei Prof. Ulla Mayer „Freie Kunst/Gold- und Silberschmieden“ sowie bei Prof. Simone Decker „Kunst und öffentlicher Raum“ studiert hat, seit vielen Jahren auseinander. Die Pfeffermühle „Kolibri“ ist so lang, dass sie dazu auffordert, seinem Gegenüber Pfeffer zu geben, statt sich selbst zu nehmen. Die „Pfeffermühle für 2 Personen“ kann nur mit vereinten Kräften und koordiniertem Vorgehen bedient werden. „unicorn“, eine Ein-Korn-Mühle, rückt das einzelne Pfefferkorn in Farbe und Beschaffenheit in den Fokus und macht den Mahlvorgang zu einem bewusst erlebbaren Ereignis.Isabelle Enders’ technisch durchdachte und handwerklich perfekte Arbeiten, die unterschiedliche Vorstellungen von Ästhetik durch- spielen, bewegen sich an der Schnittstelle von Kunst und Design. Sie funktionieren noch als Gerät, werden aber von der Brauchbarkeit als einzigem Daseinszweck befreit. Nimmt man sie in Gebrauch, bedarf es einer erhöhten Aufmerksamkeit und des Gewahrwerdens über das Objekt, da ihr Erscheinungsbild vom herkömmlichen Gegenstand abweicht und ihr Aufbau die gewohnte Nutzung konterkariert. Eben dadurch verfügen Isabelle Enders’ Pfeffermühlen über eine viel- schichtige inhaltliche Ebene und eröffnen darüber hinaus eine soziale Dimension.
Auch andere Arbeiten zielen auf ein gemeinschaftliches Erlebnis ab und darauf, miteinander in Kommunikation zu treten. Es ist kein Zu- fall, dass sich die Künstlerin mit ihrem handlungsorientierten Ansatz im Bereich von Kulinarik und Genuss bewegt und hierbei die Rituale und Verhaltensweisen in den Blick nimmt, die man im Alltag kaum reflektiert. Die mundgeblasenen Gläser ihrer neuen Werkgruppe „Schampuss“ haben über ein kleines Loch an der Seite einen Eingriff erfahren, so dass bei unbedachtem Gebrauch der rasche Verlust des Getränks unausweichlich ist und dem Trinkvorgang unvermittelt etwas Melancholisches oder Tragikomisches verliehen wird. Ein Glas mit Loch kann zugleich als Metapher für eine Welt stehen, in der sich das scheinbar Selbstverständliche zunehmend als brüchig erweist. Standardisiertes zu unterwandern ist ein Prinzip in Isabelle Enders’ künstlerischem Ansatz. Für die Herstellung der Pfeffermühlen der Serie „Dolores“ brachte sie einen 3D-Drucker zum Einsatz, griff jedoch durch Wechsel der Filamente in den Druckprozess ein: Statt identischer Teile produzierte der Drucker so vielfarbige Unikate von malerischer Anmutung.
Auch bei der neuen Serie der „Scheiben“ steht das Erscheinungs- bild im Vordergrund. Die flachen, aus Kupfer und Silber gearbeiteten Objekte lassen ebenso an Wurstscheiben wie an Schmuck oder Tischaccessoires denken. Losgelöst von einer konkreten Funktion entfalten sie das Potential, als eigenständige Artefakte wahrgenom- men zu werden.
Neben den genannten Werkgruppen versammelt die Ausstellung weitere, zum Teil neue Arbeiten und gibt somit einen umfassenden Einblick in das Schaffen und die Arbeitsweise von Isabelle Enders.