Das Kupferstich-Kabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) präsentiert ab dem 8. Oktober 2022 seine Ausstellungen „Der letzte Romantiker. Albert Venus“ und „Gespannte Ruhe. Raimund Girke. Werke auf Papier 1957–2001“.Mit Albert Venus kommt die Dresdner Romantik an ihr leuchtendes Ende.“ Dieses Fazit zieht der Schriftsteller und Journalist Florian Illies, der das Ausstellungsvorhaben mit angeregt hat und als Mitkurator gewonnen werden konnte.
In der Ausstellung werden zum ersten Mal über 120 Werke des noch immer kaum bekannten Künstlers Albert Venus (1842–1871) im Kupferstich-Kabinett präsentiert – zumeist Zeichnungen und Ölstudien auf Papier, aber auch Gemälde auf Leinwand. Darunter stammen 54 Werke von Venus aus der Sammlung des Kupferstich-Kabinetts, die erst jüngst durch eine Schenkung von 16 Zeichnungen und den Erwerb von acht Ölstudien bereichert werden konnte. Der Ankauf wurde ermöglicht durch die Freunde des Kupferstich-Kabinetts Dresden e.V., die in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feiern. Präsentiert werden außerdem 62 Leihgaben aus Museen und Privatsammlungen. Neben den Arbeiten von Albert Venus sind Werke von Ludwig Richter und dessen Schülern Viktor Paul Mohn und Carl Wilhelm Müller zu sehen.
Drei Sektionen führen durch die Schaffensphasen von Albert Venus: Die erste blickt auf seine Zeit in Dresden und die Reisen nach Böhmen. Die folgenden Abschnitte stellen die beiden Aufenthalte in Italien vor, auf denen Venus seine ganz individuellen Eindrücke der Orte und der Menschen festhielt und einen unverwechselbaren Blick auf die Landschaft entwickelte. Die Werke in der Ausstellung erzählen eindrucksvoll, wie Venus den Weg der Dresdner Romantik hin zu einem neuen Realismus und Impressionismus beschritt.
Der jung verstorbene Künstler Albert Venus stand bislang ganz im Schatten seines Lehrers Ludwig Richter. Tatsächlich gelang es dem jungen Maler und Zeichner aber, sich von dem berühmten Vorbild zu emanzipieren und eigene, von warmem Licht erfüllte Landschaftsbilder zu schaffen. Faszinierend ist seine virtuose Beherrschung der Technik der Ölstudie, in der er Ungewöhnliches geleistet hat. Die farbliche Frische seiner Malerei lässt spüren, wie er sich von der Bildsprache seiner Vorgänger löst und zugleich einen letzten Höhepunkt der Dresdner Romantik bildet.
Für die Neubewertung von Albert Venus‘ Œuvre und Rang kann der kürzlich im Zuge der Ausstellungsvorbereitung geglückte Fund bislang unbekannter Briefdokumente die weitere Forschung zu Albert Venus befördern. Die Korrespondenz des Künstlers aus den Jahren 1865 bis 1869 mit zahlreichen Briefen an seine künftige Frau Cäcilie Paul, aber auch an seine Künstlerfreunde und seinen Lehrer Ludwig Richter bilden eine bedeutende Quelle, die hier erstmals vorgestellt wird.
Parallel und in unmittelbarerer Nähe zur Sonderausstellung „Der letzte Romantiker. Albert Venus“ präsentiert das Kupferstich-Kabinett mit rund 45 Papierarbeiten aus dem eigenen Bestand eine konzentrierte Werkauswahl des Malers und Zeichners Raimund Girke (1930 – 2002). Zusammen mit den Werken, die der Künstler dem Kupferstich-Kabinett 1990 geschenkt hat, macht es die umfängliche Schenkung von 2021 aus der Sammlung seiner Frau Karin Girke möglich, den Künstler 20 Jahre nach seinem Tod in all seinen Schaffensperioden vorzustellen. Auch an dieser Ausstellung beteiligte sich Florian Illies mit einem Text.
Raimund Girke zählt mit seinem Interesse an Monochromie und Purismus neben Gotthard Graubner und Günther Uecker zu den radikalen Erneuerern der Kunst nach 1960 in Westdeutschland. Er entwickelte eine eigene abstrakte Bildsprache, die sich durch die Konzentration auf Weiß-, Grau- und Blautöne sowie seine Beschäftigung mit elementaren Seh- und Bilderfahrungen auszeichnet. Girkes analytischer Blick spiegelt einen Zugriff auf die Natur, der überraschend romantische Züge aufweist und daher eine Verbindung zur parallelen Ausstellung über Albert Venus schafft.
Stephanie Buck, Direktorin des Kupferstich-Kabinetts: „Es ist aufregend, mit Albert Venus – einem bislang kaum bekannten Dresdner Romantiker – bei uns im Kupferstich-Kabinett die Bühne zu bereiten. Besonders seine Licht erfüllten Ölskizzen entführen in traumhaft schöne Landschaften, die gleichermaßen Geist und Gefühl ansprechen. Die visuelle Brücke von Venus zu Raimund Girke spannt sich, wenn man als Betrachter in die Bilder eintaucht. Eine gespannte Ruhe scheint beide Künstler über die Jahrhunderte zu verbinden und eine sehr ähnliche, fließende Energie im Pinselstrich.“
Florian Illies, Co-Kurator der Ausstellung „Der letzte Romantiker“: „Mit Albert Venus kommt die Dresdner Romantik an ihr leuchtendes Ende. So wie ja die Reichsgründung im Jahre 1871 auch für die Kunst insgesamt einen Modernisierungsschub bedeutete, so markiert der Tod von Venus im selben Jahr auch in Dresden den Schlusspunkt der jahrzehntelangen Wirkungsgeschichte von Ludwig Richter. Auf den Italienreisen von Venus 1866 und 1869 blitzen bereits naturalistische und impressionistische Tonlagen auf, die ihn zu einer hochinteressanten Künstlerfigur inmitten einer großen ästhetischen Zeitenwende machen.“
Begleitend zur Ausstellung ist der Katalog „Der letzte Romantiker. Albert Venus“ in deutscher Sprache entstanden. Herausgegeben von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Jane Boddy, Stephanie Buck, Florian Illies, Petra Kuhlmann-Hodick. Schirmer/Mosel Verlag, 160 Seiten. 24,90 € Museumsausgabe, ISBN 978-3-8296-0971-5 / 34,00 € im Buchhandel, ISBN 978-3-8296-0964-7.