Chinesische Malerei in Originalwerken sehen wir hierzulande eher selten, und wenn, dann sind es meist Bilder der berühmten Gelehrtenmaler. Von der neueren Volkskunst Chinas wissen wir dagegen sehr wenig. Doch gerade sie hat ihren ganz besonderen Reiz, der viele in ihren Bann zieht. So erging es auch Ingrid Jansen, die im Februar 1987 in einer Galerie in Peking, wo sie gerade drei Jahre mit ihrem Mann lebte, auf Bilder chinesischer Bauernmalerei stieß.Die natürliche Lebensfreude, die diese Werke mit ihren klaren Farben und ungewöhnlichen Blickwinkeln ausstrahlen, begeisterte sie sofort. Sie hatte schon Volkskunstbilder aus anderen Regionen Chinas gesehen, aber niemals war sie so sehr berührt worden. Die Malereien stammen aus dem Dorf Wangxia in der nordchinesischen Provinz Hebei. Das ist etwa 250 km – damals eine Halbtagsreise – von Peking entfernt. Sie machte sich auf den Weg dorthin, um die malenden Bäuerinnen und Bauern vor Ort kennenzulernen. Sie knüpfte Kontakte und begann diese Bilder zu sammeln.
Bestimmt hätte diese Art von Kunst auch Lothar-Günther Buchheim gefallen mit seinem leidenschaftlichen Sinn für Reinfarbigkeit, Erfindungsreichtum und Originalität. Er und seine Frau Ditti reisten mehrmals durch China. Mit Bauernmalern sind sie damals wohl nicht zusammengetroffen. Die lebten fernab in ihren Dörfern und malten nur zur eigenen Freude. Nach den harten Jahren der Kulturrevolution voller politischer Indoktrinierung konnten nun die Bildthemen wieder frei gewählt werden. Zehn Jahre später drehte sich der politische Wind erneut, und Ingrid Jansen konnte ihre Sammeltätigkeit nicht weiterführen.
Thematisch sehen wir auf den ausgestellten Bildern Arbeiten in den Feldern und an den Obstbäumen, das Dorfleben mit den Tieren und auch die handwerklichen Tätigkeiten des Töpferns, Webens oder Laternenmachens. Festgehalten werden außerdem die verschiedenen Veranstaltungen rund um das große Neujahrsfest mit dörflichem Theater, Akrobaten, Trommlern, Löwentanz, Jahrmärkten mit Essensbuden und Ständen mit bunten Salzteigfiguren, und natürlich das große Feuerwerk! Wir lernen durch die Malereien den gesamten bäuerlichen Lebenszyklus kennen von Hausgeburt über Hochzeitsfeiern, barfußärztlicher Krankenversorgung bis hin zu einem Begräbnis mit seinen Ritualen. Eine Szene ist oft im selben Bild zugleich in Frontalsicht, Seitenblick und Draufsicht zu sehen. Das ist frisch, ungewohnt und im besten Sinne dilettantisch: eine Kunst, die aus der Begeisterung erwachsen ist, nicht aus einer schulmäßigen Ausbildung. Die Freude am derartigen Wahrnehmen der eigenen Lebenswelt wirkt geradezu ansteckend!