Der neuen Ausstellung von Helmut & Johanna Kandl im Kunsthaus Graz mit dem Titel Palette geht eine langjährige Recherche voraus. Seit etwa 2014 beschäftigt sich das Künstler*innen-Paar mit der Frage, woher die Farben, Pigmente oder Bindemittel stammen, die in Gemälden zum Einsatz kommen. Johanna Kandl, deren Eltern ein Malereigeschäft in Wien hatten, studierte Restaurierung und setzte sich eingehend mit Farben und Materialien auseinander, vermisste aber immer die Beschäftigung mit der Herkunft der Rohstoffe, die ganz selbstverständlich in der Kunst eingesetzt werden. Auf ihren Reisen und bei ihren Recherchen fokussieren Helmut & Johanna Kandl auf diesen blinden Fleck der Malerei. Die Werke in der Ausstellung, die von Malerei und Grafik über Videodokumentationen bis zu Gesteinsproben reichen, geben Einblicke in ihre Arbeitsweise und machen die Ergebnisse sichtbar. „Die umfangreichen Sammlungen des Joanneums sind ein Fundus von Objekten. Umfangreiche Sammlungen haben viele Museen, was bei diesem Projekt jedoch besonders war, sind das Wissen und die Expertise der Mitarbeiter*innen, von dem wir zehren konnten“, beschreibt Johanna Kandl die Zusammenarbeit.So werden in der Ausstellung neben ökonomischen, sozialen und kulturellen Themen auch ökologische Aspekte angesprochen. Dabei zeigt sich, welche Bedeutung die Produktion von Malmaterialien für die Ökonomien vor Ort hat, vor allem für Frauen, die etwa durch das Pflanzen von Akazien eine Möglichkeit wirtschaftlicher Unabhängigkeit sehen und damit zugleich einen ökologisch wertvollen Beitrag gegen die Ausbreitung der Wüsten liefern. Pigmente, also die farbgebenden Substanzen, sind meist mineralisch, d. h. Produkte des Bergbaus. Zumal Helmut & Johanna Kandls Arbeitsweise oft auch ein „Ausufernlassen“ der Themen beinhaltet – ein Nachgehen von Randthemen, was den Blick zu öffnen vermag –, zeigt das Künstlerpaar beispielsweise Zusammenhänge von Bergbau mit Mythologie, Zwergen oder mit der Musikrichtung Heavy Metal auf. Auch lokalen Bezügen wie der Rolle Erzherzog Johanns für Bergbau und Tracht wird Raum gegeben. Augenscheinlich beruhen die Arbeiten des Künstlerpaares auf umfassender, gründlicher und solider Recherche, die Helmut & Johanna Kandl als werkimmanent beschreiben: „Das Wunderbare bei diesen Recherchen ist, dass wir so viele interessante, kompetente und hilfsbereite Menschen kennenlernen, egal ob es Wissenschaftler*innen in Wien, Graz, Dresden, Montpellier oder Jakarta sind, oder Minenarbeiter*innen und Fachleute im Iran, in Marokko, der Slowakei oder Eisenerz, oder auch Köhler*innen und Pecher in Niederösterreich, Jäger in Jakutien oder Künstlerkollegen*innen in Karthoum und Teheran.“
So zeigt die Ausstellung Palette künstlerische Arbeiten von Helmut & Johanna Kandl gemeinsam mit Kunstwerken, Mineralien, Pflanzen und volkskundlichen Objekten aus den Sammlungen des Universalmuseums Joanneum und verbindet künstlerische, kulturhistorische und naturwissenschaftliche Forschung.
Weitere Perspektiven auf das facettenreiche Werk von Helmut & Johanna Kandl zeigt die Schau Helmut & Johanna Kandl. Viva Archiva!, in der Landesgalerie Niederösterreich (06.11.2021–20.02.2022). Zu den beiden Ausstellungen in der Landesgalerie Niederösterreich und im Kunsthaus Graz gibt es einen gemeinsamen Katalog.