„Let it come, Let it come“ – mit diesen Worten zitiert der britische Künstler Tim Etchells (* 1962, UK) in seinem gleichnamigen Werk aus der englischen Übersetzung von Arthur Rimbauds bahnbrechender lyrischer Textsammlung Une Saison en Enfer (dt. Eine Zeit in der Hölle, 1873). „Let it come, Let it come, the time we can love.“ Tim Etchells Arbeit für die Fassade der Kestner Gesellschaft formuliert diese innige Bitte als gesellschaftlichen Imperativ, als kühne Forderung nach einer zukünftigen Welt, die es wert ist, geliebt zu werden, nach einer lang ersehnten Zukunft, in der Liebe endlich möglich ist. Etchells ist dafür bekannt, mit seinen Arbeiten Inhalt und Kontext eines Textes in Dialog miteinander zu setzen. Let it come, Let it come stellt Rimbauds historische, zutiefst persönliche Sehnsucht in den Kontext der gegenwärtigen globalen Situation: Pandemie, Lockdown, Social Distancing, ein Rechtsruck der Politik und die anhaltende Unterdrückung der Rechte von LGBTQ+-Menschen.Etchells Neon- und LED-Textskulpturen schöpfen häufig aus seiner weitreichenden Erfahrung als leidenschaftlicher Künstler, Schriftsteller und Performer und gehen der Sprache in all ihrer Widersprüchlichkeit auf den Grund – Geschwindigkeit, Klarheit und Lebendigkeit, mit der sie Geschichten, Bilder und Ideen transportiert, und zugleich ihrer bemerkenswerten Eigenschaft, breite Felder der Unsicherheit und Ambiguität zu eröffnen. Ziel der simplen Phrasen, geschrieben in Neon- und LED-Buchstaben oder unter Einsatz anderer Medien, ist das Schaffen von Mini-Narrativen, von Momenten der Verwirrung, Unbehaglichkeit, Reflexion und Intimität in öffentlichen und musealen Räumen. Ob auf der Straße oder im White Cube – Etchells‘ Neonarbeiten versetzen die Betrachtenden in eine Situation, die sich ihnen nie ganz erschließt.
Tim Etchells ist Künstler und Autor, dessen Werk sich zwischen Performance, bildender Kunst und Literatur bewegt. Er lebt und arbeitet in London und Sheffield, Großbritannien. Seine Werke wurden in internationalen Museen, Galerien, Biennalen und Messen präsentiert, darunter: Tate Modern, Hayward Gallery, London, BALTIC, Gateshead, Plymouth Arts Centre, Plymouth, Kunsthalle Wien, Kunstverein Braunschweig, Kunsthalle Mainz, Internationale Biennale Göteborg, Manifesta 7, Trentino, und FIAC, Palais De Decouverte, Paris. Etchells’ Werke befinden sich in internationalen privaten und öffentlichen Sammlungen.
Etchells hat in verschiedenen Kontexten gearbeitet, insbesondere als Leiter der weltbekannten Performance-Gruppe „Forced Entertainment“ aus Sheffield und in Zusammenarbeit mit vielen Musiker*innen, Künstler*innen und Performer*innen, darunter Meg Stuart/Damaged Goods, Marino Formenti, Taus Mahakacheva, Vlatka Horvat, Ant Hampton, Aisha Orazbayeva und Elmgreen & Dragset. Etchells‘ Monographie „Certain Fragments“ über zeitgenössische Performance (Routledge 1999) wird von der Fachwelt gelobt. 2019 gewann er den Manchester Fiction Prize. Derzeit ist er Professor für Performance & Writing an der Lancaster University.
Kurator: Adam Budak