Auf einem Hügel nahe der Chemnitzer Innenstadt steht exponiert ein Haus: die Villa Esche durch Henry van de Velde entworfen. Trotz ihrer weithin guten Sicht- barkeit begegnet man hier auch einem blinden Fleck. Denn die Villa zeigt und verhüllt gleichermaßen die bruchhafte Komplexität der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Vom kapitalen Bau der Familie Esche aus der Hochphase der industriellen Entwicklung in Chemnitzer Verhältnisse bis zum restaurierten Baudenkmal, ist sie heute einerseits ein Museum und andererseits ein Veranstal- tungsort für Lesungen aber auch für Rituale wie Hochzeiten oder Jugendweihe. 2001 wurde das Gesamtkunstwerk, das seiner Zeit als Muster moderner Lebens- art galt, nach dreijähriger Bauzeit feierlich eingeweiht.2021 jähren sich die Grün- dung des Henry van de Velde Museums und die Eröffnung der restaurierten Villa Esche zum 20. Mal. Aus diesem Anlass haben die Kunstsammlungen Chemnitz in Absprache mit der GGG als Eigentümerin der Villa Esche die Klasse expanded cinema der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig eingeladen, sich den verschiedenen Erzählungen und historischen Schichten der Villa Esche aus einer zeitgenössischen Perspektive künstlerisch zu nähern. Dabei tauchte die Frage auf, ob es Geister der fast 120-jährigen Geschichte des Hauses gibt, die es heim- suchen? Oder sind wir die Gespenster, die sich in ihm verlaufen?
Die Ausstellung in den Räumen der Villa Esche und des Henry van de Velde Museums lädt die Besucher:innen ein, Teil eines besonderen Settings zu wer- den. Im und außerhalb des Gebäudes werden mediale und ortsspezifische Arbei- ten, sowie temporäre Interventionen von Studierenden der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) Leipzig gezeigt. Die beteiligten Künstler:innen, Studie- rende und Alumnae der Klasse expanded cinema nähern sich aus zeitgenössi- scher Perspektive den Erzählungen und historischen Schichten des Gebäudes.
Zum ersten Mal findet in den Räumen des Henry van de Velde Museums eine zeitgenössische Intervention statt. Dabei werden die musealen Räume der Villa belebt, die Lücken in der Erinnerung bemerkbar und öffnen sich einer weiteren Beschäftigung mit dem Ort als Symptom unserer Zeit.
Die Klasse expanded cinema wird von dem Künstler Clemens von Wedemeyer und aktuell der Performerin Angelika Waniek geleitet. Für das Projekt, das pan- demiebedingt auch immer wieder in den vergangenen Monaten via Videokonfe- renz weiterentwickelt werden musste, waren Künstler:innen eingeladen mit den Beteiligten über ortsspezifisches künstlerisches Arbeiten, experimentelles Erzählen im zeitgenössischen Bewegtbild, Identitätspolitik, künstlerische For- schung und Institutionskritik zu sprechen. Gäste waren: Eric Baudelaire, Henrike Naumann, Susan Philipsz, Wendelien van Oldenborgh, Andreas Siekmann, oder Shelly Silver. Künstler:innen: Elena Galeeva, Ayala Shoshana Guy, Lydia Marx, Frederike Moormann, Franziska Koppmann, Theresa Münnich, Fanni Papp, Kamile Pikelyte, Jonas Roßmeißl, Charlotte Ruppert, Johanna Maj Schmidt, Stefania Smolkina, Ingmar Stange, Su Yu Hsin, Maximilian Wigger.
Kuratiert von Clemens von Wedemeyer und Angelika Waniek. Im Begleitprogramm werden die Künstler:innen in öffentlichen Gesprächen Ein- blicke in ihre Arbeit geben. Auch wird im Laufe der Ausstellung eine Publikation zu den Präsentationen erscheinen.