In der Ausstellung face 2 face beschäftigt sich die Künstlerin Claudia Larcher mit Emojis als Kommunikationsmedium und verortet eine Auswahl von acht beliebten Emoji-Varianten in Sri Lanka. Somit schlägt sie eine Brücke zu den traditionellen Holzmasken, die dort zur Vertreibung von Dämonen verwendet wurden. „Die ruhigen Videos zeigen Personen in Sri Lanka mit geschnitzten Emoji-Masken ausgestattet. Durch die Masken sind die Menschen nicht mehr erkennbar: Ihre Individualität wird versteckt, sie werden auf eine Gefühlsregung reduziert und emotional festgelegt“, beschrieb Kurator Günther Holler-Schuster die Arbeit bei der Eröffnung. Die Ausstellung ist bis 22. November 2020 bei freiem Eintritt im studio der Neuen Galerie Graz zu sehen.Unsere digitale Kommunikation lässt zunehmend den Text hinter sich. Bilder beginnen zu dominieren, oft sind es einfache Piktogramme wie in der Frühzeit der Schriftkultur – Emojis sind ein global verbreitetes Beispiel. Diese „Bildschriftzeichen“, wie die wörtliche Übersetzung aus dem Japanischen lautet, transportieren eine Bandbreite verfügbarer und vorgefertigter „Emotionen“. Diese Illustrationen emotionaler Zustände durch stilisierte Gesichter sind immer eindeutig: Jedem „Smiley“ ist ein ganz bestimmtes Gefühl zugeschrieben, das der Empfängerin oder dem Empfänger der Botschaft vermittelt werden soll. Missverständnisse – in der digitalen Kommunikation mangels realen Angesichts vorprogrammiert – sollen damit weitgehend ausgeschlossen werden. Emojis scheinen in der Kommunikation also durchaus praktikabel zu sein, vor allem in einer Zeit des schnellen globalen Austauschs, in dem Barrieren, wie sie Sprache und Text mit sich bringen, schon aus Gründen der Effizienz möglichst zu vermeiden sind. Die Kehrseite: Die Gesichtchen ersetzen dabei unser eigentliches Antlitz. Sie sind Maskierungen dessen, was wir wirklich denken und fühlen.
An diesem Punkt setzt Claudia Larchers neues Projekt face 2 face an. Es basiert auf einer Auswahl von acht beliebten Emoji-Varianten, wie wir sie wohl alle mitunter in Chats verwenden: einem Tränen lachenden, einem gerührten, einem genervt-nachdenklichen, einem lächelnden, einem neutral blickenden, einem fröhlich-frechen, einem unglücklichen und einem verliebten. Diese digitalen Piktogramme ließ Larcher im November 2019 im Zuge eines Artist-in-Residence-Programms in Kooperation mit der „one world foundation“ in Sri Lanka von singhalesischen Maskenschnitzern ins Analoge übertragen. Der Ort Ambalangoda an der westlichen Südküste Sri Lankas ist berühmt für seine traditionelle Maskenschnitzkunst. Die dort produzierten Masken wurden ursprünglich von der Bevölkerung bei Tanzritualen zur Vertreibung böser Dämonen benutzt, heute dienen sie eher touristischen Zwecken. Larcher ließ die acht Emoticons auf traditionelle Weise als Masken schnitzen und setzte damit Zeichen und Rituale in Verbindung, wie sie – eigentlich – unterschiedlicher nicht sein können. Und doch gibt es einen gemeinsamen Link: den Hinweis auf die Maske als Symbol für den Verlust des (natürlichen) Gesichts.
In Larchers Video, das aus dem face 2 face-Projekt heraus entstand, tragen Angestellte der „one world foundation“ reglos die geschnitzten Emoji-Masken. Sie erinnern ein bisschen an August Sanders Menschen des 20. Jahrhunderts, fotografische Porträts von Menschen aus den 1920er-Jahren, die ihre jeweilige berufliche Rolle und ihren gesellschaftlichen Status in den Vordergrund rücken. Aber ihre Gesichter, ihre Identitäten sind in ein doppeltes Spiel verwickelt: Sie sind durch die Maske getilgt, das kulturellem oder gesellschaftlichem Kontext vollkommen enthobene Emoji-Antlitz ist an ihre Stelle getreten. Auch Historizität, etwa die koloniale Geschichte Sri Lankas, scheint gleichermaßen unsichtbar gemacht. Und dennoch stellen diese geschnitzten Maskierungen Zeugnisse dar. Sie sind greifbare, analoge Werkzeuge, um die bösen Geister der digitalen Welt zu vertreiben.