Robert Zünds frisch restauriertes Ölgemälde Las Meninas (Kopie nach Velázquez) passt perfekt in die Ausstellung Alles echt! Werke aus der Sammlung, die den Phänomenen der Imitation, der Nachahmung und der Kopie nachgeht. Als Leihgabe aus privater Hand ergänzt es ab Robert Zünd ist der wichtigste Luzerner Maler des 19. Jahrhunderts.Aufgrund seiner minutiö- sen Blätterdarstellungen erhielt der Künstler den Spitznamen «Meister des Buchenblatts». Seine detailreichen Waldstücke und Landschaftsansichten aus dem Luzerner Umland faszinieren. Die lichtdurchfluteten, idealisierten Bilder wirken paradiesisch und sind frei von industriellen Zeu- gen seiner Zeit. Beliebte Motive wie den Eich- oder Buchenwald malte Robert Zünd mehrmals fast identisch und kopierte damit nicht nur die Natur detailgenau, sondern auch sich selbst. Weniger bekannt sind Zünds Kopien alter Meister, darunter auch Velázquez’ Las Meninas (1656), eines der rätselhaftesten und meist besprochenen Bilder der Kunstgeschichte.
Das Kopieren alter Meister war lange gang und gäbe. Künstler kopierten Werke ihrer Vorbilder, um von ihnen zu lernen und um ihre eigene Geschicklichkeit unter Beweis zu stellen. Auch Robert Zünd malte immer wieder nach Werken alter Meister und hatte eine besondere Vorliebe für das 17. Jahrhundert. In Paris, München oder Dresden fertigte er in den grossen Museen Skizzen, Studien und Kopien in Öl an. So kopierte er beispielsweise auch die beiden Kreuzi- gungsszenen Le calvaire (1457–1459) von Andrea Mantegna und Le calvaire (ca. 1584) von Paolo Veronese sowie Claude Lorrains Küstenlandschaft mit Acis und Galatea (1657) oder Jacob van Ruysdaels Judenfriedhof (ca. 1655). Diego Velázquez’ Las Meninas ist eines der Hauptwerke des Prado in Madrid. Die 1819 eingeweihte Institution gehört bis heute zu den bedeutendsten Kunst- museen der Welt. Velázquez genoss als Hofmaler des spanischen Königs Philipp IV. grosses Ansehen. Las Meninas zeigt, wie Velázquez ein Bild malt, das dem Publikum verborgen bleibt. Im Zentrum befindet sich die Prinzessin Margarita mit ihren Hofdamen, die dem Gemälde den Titel gaben. Im Hintergrund ist jedoch im Spiegel das Königspaar zu sehen, das für den Künstler Porträt sitzt. Zünds Kopie nach Velázquez ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert.
Überraschend ist erstens, dass Robert Zünd als begnadeter Landschaftsmaler, der bei der Figurengestaltung gerne auf das Knowhow seiner Malerkollegen zurückgriff oder Figuren oft ganz wegliess, Velázquez’ Porträt der königlichen Familie auswählte, bei dem die Figurengestaltung zentral ist. Zweitens reiste Robert Zünd nur wenig, die Eisenbahn war ihm ein Gräuel. So war er auch gar nie in Madrid und hat Velázquez’ Original nicht gesehen. Zünds wesentlich handlichere Kopie – das Original misst 318 x 276 cm, die Kopie nur 52 x 45 cm – muss er nach einer Reproduktion des Bildes gemalt haben. Da die Farbfotografie damals noch in den Kinderschuhen steckte, ist denkbar, dass Robert Zünd die Kopie eines anderen Künstlers oder einen Öldruck als Vorlage verwendet hat. Dennoch kommt sein Gemälde dem berühmten Original verblüffend nahe. Neben dem kleineren Format ist einzig die Farbgebung etwas blasser.