Die Ausstellung „Helden, Märtyrer, Heilige. Wege ins Paradies“ läuft vom 11.04. bis 4.10.2020 im Germanischen Nationalmuseum.Helden, Märtyrer, Heilige – Menschen faszinieren mutige Heroen, willensstarke Visionäre und entschiedene Kämpfer für die (vermeintlich) richtige Sache. Geschichten über sie begeistern, zugleich motivieren sie, es den Protagonisten nachzutun. Solche Helden werden zum Vorbild für die eigene Lebensführung und können Hoffnung geben in schwerer Zeit. Dabei ist unerheblich, ob es sich um eine historische oder eine erfundene Figur handelt.Rund 50 Exponate des 13. bis 15. Jahrhunderts, Highlights der hauseigenen Skulpturen- und Gemäldesammlung, veranschaulichen in dieser Ausstellung die spätmittelalterliche Vorstellung von einem vorbildlichen Leben und damit vom sicheren Weg ins Paradies.
„SEIT DER AUFKLÄRUNG WAR RELIGION BEI UNS MEISTENS PRIVATSACHE. DOCH HEUTE HAT SIE WIEDER KONJUNKTUR, DIE VON GEMEINSCHAFTLICHEM ENGAGEMENT BIS ZUR SKRUPELLOSEN MACHTAUSÜBUNG REICHEN KANN. HELDEN, MÄRTYRER UND HEILIGE SPIELEN DABEI EINE MITUNTER ZWIESPÄLTIGE ROLLE. IM SPÄTEN MITTELALTER WAREN SIE ABER VORBILDER“, ERKLÄRT GENERALDIREKTOR PROF. DR. G. ULRICH GROSSMANN.
Am Anfang der Ausstellung steht die Rosenkranztafel aus der Werkstatt des Veit Stoß, die exemplarisch ins Thema einführt: Das großformatige Bildfeld erzählt in mehreren Szenen das christliche Heilsgeschehen von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht.
Aus Sicht des Spätmittelalters bildet diese Relieffolge die „Heldenreise der Menschheit“ ab, die mit dem Sündenfalls und der Vertreibung aus dem Paradies begann, in das die Menschen seitdem zurückzukehren wünschen. Der Kreis soll sich wieder schließen. Für Gläubige, die einst vor dieser Tafel beteten, dienten die Darstellungen als Orientierungshilfe zur eigenen Lebensführung, für ihre persönliche Heldenreise in die Glückseligkeit.
Vita ChristiFür die Erzählung großer Heldentaten hat sich ein Grundmuster herausgebildet, das von antiken Texten bis zum Hollywoodfilm auf einer vergleichbaren Dramaturgie beruht. Ein Held oder eine Heldin folgt einer Berufung, muss Bewährungsproben bestehen und unter Lebensgefahr einen aus dem Gleichgewicht geratenen Zustand wieder ins Lot bringen.
In der christlichen Tradition erfüllt die Vita Christi diese Vorstellung, wie hochkarätige Gemälde und Skulpturen in der Ausstellung verdeutlichen. Die prächtige Tafel des Meisters der Sterzinger Altarflügel zeigt Christus als nacktes, unschuldiges Kind auf dem Schoß seiner Mutter sitzend.
Der Apfel in seiner Hand verweist auf den Sündenfall, den es mit seinem Tod sühnen wird. Das Ende der Vita wird bereits vorweggenommen. Auf dem Epitaph für Ursula Haller steht Christus im Kreise von Märtyrern. Ihre heldenhafte Reise hat sie bereits ins Paradies geführt, worauf der blumenbewachsene Grasbo- den hinweist. Dorthin wünschen auch die Stifter der Tafel nachzufolgen, die im Vordergrund andächtig betend mit dem Rosenkranz in der Hand knien.
Märtyrer und HeiligeMärtyrer und Heilige nahmen sich Christi Lebensweg zum Vorbild. Wie eine moderne Bildergeschichte berichtet die Legendentafel von Hans Murer gleich von mehreren Märtyrerschicksalen.
Alle weisen Parallelen zur Vita Christi auf: Sie wurden wegen ihres Glaubens verfolgt, gepeinigt und getötet – und erhielten Zugang ins Paradies. Auch sie dienten im Spätmittelalter als Vorbilder und wurden konkret um Schutz und Beistand gebeten. Als Nothelfer und Schutzpatrone lag ihre Aufgabe in der Vermittlung zwischen Gott und den Menschen.
Zu den bedeutendsten Werken zählt die Figurengruppe „Raphael und Tobias“von Veit Stoß. Noch etwas unsicher mit tänzerischer Beinhaltung hat der junge Tobias den Arm des Schutzengels Raphael ergriffen, der ihm zuversichtlich lächelnd den Weg weist. Doch er gibt sich nicht als Schutzengel zu erkennen, so dass sein Schützling nicht um dessen besondere Fürsorge weiß – eine Geschichte wie im Hollywood-Film.
Am Ende des Lebens und am Ende der Ausstellung wartet Christus der Weltenrichter als letzte Instanz, die über das Schicksal aller Gläubigen entscheidet – monumental thronend auf einem Fragment der Weltgerichtstafel aus der Zeit um 1500. Am Tag des Jüngsten Gerichts gibt es nur zwei Optionen: Himmel oder Hölle.
Das ParadiesDer letzte Ausstellungsraum steht für das Paradies und ewige Himmelreich. Wie sieht es aus? Niemand weiß es, aber viele machen sich dennoch ein Bild. Im Germanischen Nationalmuseum ist das Paradies ein hell erleuchteter Raum, in dem kein Exponat hängt. Stattdessen hören Besucher über Lautsprecher unterschiedliche Paradiesvorstellungen. Sie stammen von Kindern und Erwachsenen, von Laien und Gläubigen, von Christen und Vertretern anderer Religionen.
Mit diesen Gedanken über das Paradies, über Helden und die Fragen, ob wir auch heute noch Helden brauchen, entlässt die Ausstellung den Besucher. Wer sich mitteilen und seine Heldenvorstellung äußern möchte, kann das auf Postkarten am Ausgang tun oder in den Social Media Kanälen unter dem Hashtag #heldenreise. Denn eines gilt auf jeden Fall: Die Faszination an Heldengeschichten ist ungebrochen.
KatalogBegleitend zur Ausstellung ist ein Katalog mit Abbildungen aller Exponate zum Preis von € 18,50 (im Buchhandel € 24,80) erschienen.