Es ist eine Premiere – die umfangreiche Ausstellung Böhmen–Sachsen: So nah, so fern im Sternberg-Palais der Nationalgalerie Prag widmet sich zum ersten Mal dem facettenreichen Thema der Beziehungen zwischen beiden Ländern. Unter den über 200 hochkarätigen Exponaten befinden sich die ersten Keramikgefäße aus der Steinzeit, entstanden vor 7000 Jahren im Gebiet des heutigen Böhmen und Sachsen, früheste Zeugnisse des Christentums, Preziosen des Mittelalters, Gemälde von Lucas Cranach, Jan Kupecký und Oskar Kokoschka, ein Relief von Balthasar Permoser oder das Modell der Plastik Quo Vadis von David Černý.Dauer: 24/5–15/9 2019Ort: Sternberg Palais, Hradčanské náměstí 15, PragProjektleitung und Kuratoren: Doreen Mölders (smac), Marius Winzeler (NGP), Olga Kotková (NGP)Die Ausstellung wurde in Kooperation der Nationalgalerie Prag (NGP) mit dem Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (smac) vorbereitet. Im smac fand die Schau vom 28. September 2018 bis zum 31. März 2019 statt.
Die Schirmherrschaft über die Ausstellung übernahmen der Premierminister der Tschechischen Republik Andrej Babiš und der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen Michael Kretschmer.„Die Ausstellung nimmt die dynamischen Beziehungen zwischen Böhmen und Sachsen in den Blick, befaßt sich mit den engen Verbindungen der Bewohner beider Länder, wozu auch Konflikte und Versöhnungen gehören. Neun thematische Bereiche stellen die wechselnden Symbiosen von Kunst, Alltagskultur und Wirtschaftsleben vor. Dabei sind zahlreiche Kunstwerke erstmals in Böhmen zu sehen,“ bemerkt der Direktor der Sammlung Alter Meister der Nationalgalerie Prag, Marius Winsele.
Die Geschichte der gegenseitigen Beziehungen beginnt in der Steinzeit, wie Keramik und Werkzeuge zeigen. Auch die Bronze- und Eisenzeit sowie die Epoche der Völkerwanderung sind in der Ausstellung mit einer kostbaren Auswahl einzigartiger Exponate vertreten. Darunter befinden sich keltische Goldmünzen oder Schmuckstücke aus einem Kindergrab des 5. Jahrhunderts nach Christus in Prag-Zličín.
„Böhmen und Sachsen sind heute politisch und sprachlich voneinander getrennt. Noch im ersten Jahrtausend nach Christus wurde aber in beiden Regionen slawisch gesprochen. Die Grenze zwischen den beiden Ländern gehört zu den ältesten in Europa – meist war sie passierbar und ermöglichte vielfältigen künstlerischen und wirtschaftlichen Austausch. Streng bewacht und zeitweilig ganz geschlossen war sie nur im 20. Jahrhundert,“ fügt Olga Kotková an, Kuratorin der Nationalgalerie Prag.
Im Sternberg-Palais sind Zeugnisse aus 7000 Jahren versammelt: tausendjährige Seidenstoffe aus dem Grab der hl. Ludmilla, einer sorbischen Fürstin, mit der die namentlich fassbare Beziehungsgeschichte zwischen Böhmen und Sachsen beginnt; Skulpturen des Schönen Stils sowie eine in Prag entstandene Prunkhandschrift, die vor den Hussiten 1420 nach Zittau geflüchtete wurde und nun erstmals wieder am Ort ihrer Entstehung zu sehen ist; Werke von Lucas Cranach, die für böhmische Auftraggeber geschaffen wurden; Schatzkunst des Manierismus, diplomatische Geschenke, die Dresdener Originalhandschrift des Prager Friedens von 1635; Kelche der böhmischen Exulanten und Meisterwerke bedeutender Maler und Bildhauer wie Kupecký und Permoser, die in der Barockzeit Böhmen und Sachsen eng miteinander verbanden; romantische Landschaftsbilder von Carl Gustav Carus, Ludwig Richter und Josef Mánes oder Werke von Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka und Josef Hegenbarth.
„In der Ausstellung wird auch eine bedeutende Neuerwerbung der Sammlung Alter Meister der Prager Nationalgalerie präsentiert: Das Tafelbild Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers, geschaffen vom talentiertesten böhmischen Schüler Cranachs, dem Meister IW. Es entstand um 1525 wahrscheinlich im Auftrag eines Mitglieds der in Böhmen und Sachsen wirkenden Familie Schlick. Nach der Konfiskation der Güter des Joachim Andreas Schlick nach der Schlacht am Weißen Berg gelangte es über Erbschaft ins Eigentum der Markgrafen von Baden und kehrte nun nach rund 400 Jahren wieder nach Böhmen zurück,“ berichtet Olga Kotková.
Die Geschichte der böhmisch-sächsischen Beziehungen beschließt das Modell einer Plastik von David Černý: Quo vadis. Dieser Trabi auf vier Beinen ist eine Erinnerung an die Ereignisse im Herbst 1989, als die Botschaft der BRD in Prag Asyl für ausreisewillige Bürger der DDR geworden ist und Ausgangspunkt für den folgenden Umbruch.
Die Ausstellung entstand in Kooperation der Nationalgalerie Prag mit dem Staatlichen Museum für Archäologie in Chemnitz, wo die Schau in anderer Form vom September 2018 bis März 2019 gezeigt wurde. Während in Chemnitz der inhaltliche Schwerpunkt auf Archäologie und Kulturgeschichte lag, werden in Prag vor allem die künstlerischen Verbindungen und Wechselwirkungen akzentuiert.
Zur Ausstellung liegt ein umfangreicher deutsch-tschechischer Katalog mit zahlreichen Aufsätzen, Abbildungen und dem Exponatverzeichnis vor.
Zudem präsentiert ein großzügig bebilderter Ausstellungsführer tschechisch-deutsch die zentralen Inhalte der Schau und ihre Highlights.