«Ein Magazin, das vollgepackt ist mit menschlichen Interessen, Bildern und Wünschen, hat eine starke Ähnlichkeit mit dem, was ich als Person bin. Mein Leben ist kein geradliniger Weg, mit einem zentralen Thema, das sich wie in einem Buch durch mein Leben zieht. Es wäre besser, wenn man es als ‹Leben eines Redakteurs dieses Magazins› bezeichnen würde, das ich damit verbracht habe, mich ständig in der Umgebung umzusehen, von Ort zu Ort zu wandern und da- bei eine Vielzahl von Arbeiten zu verrichten.»So beschreibt Keiichi Tanaami (*1936) treffend sich selbst und verweist auf das, was für sein Werk wichtig ist: Einerseits eine Flut von Bildern und Eindrücken, aus der Erinnerung ebenso wie aus Träumen und Halluzinationen, andererseits das Prinzip der Montage und Collage. Kaleidoskopisch schillernd verschränken die Werke des japanischen Künstlers amerikanische Comic-Welt, psychodelische Albträume und japanische Kultur. Die bunten Kompositionen bilden einen eigenen Kosmos und erzählen doch überraschend konkret von Krieg und Krankheit. Als Kind erlebte der Künstler im 2. Weltkrieg die US-Luftangriffe auf Tokio, die zu wichtigen Motiven seiner Kunst wurden: brüllende amerikanische Bomber, japanische Suchscheinwerfer oder der deformierte Goldfisch seines Grossvaters tauchen immer wieder auf.
Das Animationsvideo The Laughing Spider (2016) zitiert im Titel die gleichnamige Grafik des französischen Künstlers Odilon Redon, die Keiichi Tanaami zum anthropomorphen Spinnenwe- sen inspiriert hat. Noch während die Kirschblüte und der Vulkan Fujiyama in der Ästhetik japa- nischer Holzschnitte Idylle suggerieren, saust ein Ufo durch den Raum und katapultiert das Publikum in eine technoide Welt. Immer wieder wandern Vaginas und Penisse durchs Bild, wäh- rend Babys wie Bomben vom Himmel fallen. Keiichi Tanaami verbindet virtuos östliche und westliche Bildwelten und verschmelzt Zitate aus Pop- und Hochkultur: Roy Lichtensteins Co- micbilder tauchen ebenso auf wie eine Referenz an Edvard Munchs Schrei. Keiichi Tanaami besuchte die Hochschule für Gestaltung an der Musashino Art University. Schon während des Studiums erhielt er Auszeichnungen für seine unkonventionellen Entwürfe und Aufträge aus der Werbung. Unterdessen gilt Keiichi Tanaami als Vorreiter der japanischen Pop-Art und ist einer der einflussreichsten Künstler Japans. Seine Karriere begann in den 1960er-Jahren im zeittypischen Spannungsfeld von Auftragskunst und Anti-Kunst-Bewegung, Drogenexperimenten und Konsumkultur. Beeinflusst vom japanischen Papiertheater Kamishi- bai, von amerikanischen B-Movies, Mangas, amerikanischen Filmen und der Hochglanzwerbe- welt entwickelt er einen eigenwilligen Stil. Von besonderer Bedeutung war seine Begegnung mit Andy Warhol, den er in dessen Factory besuchte, fand er doch in ihm auch ein konkretes Vorbild für die Verbindung von Auftragsgrafik und freier Kunst.
Fumetto präsentiert die erste institutionelle Einzelausstellung Keiichi Tanaamis in der Schweiz. Sie umfasst Werke von 1968 bis 2018 und reflektiert sein ganzes medial vielfältiges Werk: Collagen, Grafiken, Gemälde, Zeichnungen, Animationen und Skulpturen.
kuratiert von Jana Jakoubek