Anlässlich des 100-jährigen Bauhausjubiläums präsentiert die Kestner Gesellschaft eine Einzelausstellung der polnisch-britischen Künstlerin Goshka Macuga (*1967 in Warschau, lebt und arbeitet in London). Macuga befragt in ihren Arbeiten die Geschichtsschreibung, insbesondere die Schlagworte der Moderne wie Fortschrittsglaube, Autorenschaft und Utopie. In detektivischer Recherchearbeit spürt sie Brüche, Fallstricke und Uneindeutigkeiten in einer vermeintlich linearen Erzählung auf. Ein besonderer Fokus liegt in dieser Ausstellung auf dem Bauhaus, der einflussreichen Schule für Kunst, Architektur und Design, und ihrer Verbindung zur Kestner Gesellschaft. Vom 24. Mai bis 4. August 2019 werden Installationen, Skulpturen, Textilien und Collagen von Goshka Macuga im ganzen Haus zu sehen sein. Eigens für die Ausstellung in der Kestner Gesellschaft entstehen auch neue Werke, unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Londoner Lichtdesigner Michael Anastassiades.Goshka Macugas künstlerische Praxis basiert auf historischer Forschung und Archivrecherchen, die sie in ihren Arbeiten umsetzt. Als Künstlerin nimmt sie somit gleichzeitig die Rolle einer Historikerin, Kuratorin und Designerin ein. Im Fokus ihrer Ausstellung in der Kestner Gesellschaft steht dabei die wechselhafte ideologische Positionierung und politische Instrumentalisierung des Bauhauses aus historischer und heutiger Perspektive. Während das Bauhaus heute häufig als eine kohärente Einheit, als Marke des klaren Designs, wahrgenommen wird, möchte Macuga künstlerisch die gegensätzlichen Weltanschauungen aufzeigen, innerhalb derer die Institution Bauhaus verortet wurde, oder sich selbst verortet hat. Das reicht von frühen spirituellen, sozialistischen, marxistischen Ideologien bis hin zu apolitischen oder kapitalistischen Haltungen. Eine besondere Rolle spielt dabei die kritische Untersuchung der Repräsentationsfunktion von Design, nicht zuletzt anhand ikonischer Entwürfe aus dem Umfeld der drei Direktoren des Bauhauses, Walter Gropius, Hannes Meyer und Mies van der Rohe, die ebenfalls unterschiedliche Auffassungen des Bauhauses verkörpern.
Inhalt und Format von Goshka Macugas Ausstellungen sind stets abhängig von den spezifischen institutionellen Kontexten, in denen ihre Arbeiten gezeigt werden. Somit ist für das Konzept der Ausstellung auch die Geschichte der Kestner Gesellschaft bedeutsam, die in den 1920er und 1930er Jahren nahe Kontakte zu den Persönlichkeiten des Bauhauses, wie Feininger, Klee und Gropius pflegte, bedeutsam.
Ein zentrales Werk der Ausstellung ist das »Kabinett der Abstrakten (after El Lissitzky)« (2003) von Goshka Macuga. Die Arbeit nimmt Bezug auf das historische Kabinett der Abstrakten, das 1927 im Provinzialmuseum in Hannover von El Lissitzky und Alexander Dorner realisiert wurde. Die Idee dieser ursprünglichen Arbeit, nämlich eine neue Art der Interaktion und Betrachtung von Kunst zu ermöglichen, bleibt auch bei Macuga bestehen. Mit dieser Arbeit greift Macuga ebenfalls die spezifische Geschichte des Ausstellungsortes auf, da sowohl El Lissitzky als auch Alexander Dorner als Interimsdirektor eine sehr enge Beziehung zu Kestner Gesellschaft hatten.
Daneben werden die Installationen »Haus der Frau 1« (2008), »Haus der Frau 2« (2008) und »Deutsches Volk – Deutsche Arbeit« (2008), groß angelegte Rauminstallationen aus Glas, ausgestellt. Diese Arbeiten nehmen Bezug auf die Designerin Lilly Reich, eine weitgehend vergessene Vorreiterin des Ausstellungsdesigns, Partnerin von Mies van der Rohe und eine der ersten Frauen im Deutschen Werkbund.
Goshka Macuga wurde 2008 für den renommierten Turner Prize nominiert. Ihre Arbeiten werden in zahlreichen internationalen und nationalen Institutionen ausgestellt, darunter: Neues Museum, Nürnberg (2018), Hamburger Bahnhof, Berlin (2018), Witte de With, Rotterdam (2017), Fondazione Prada, Mailand (2016), New Museum, New York (2016), Schinkel Pavillon, Berlin (2016), Documenta 13 (2012), Venedig Biennale (2009).Die Ausstellung wird unterstützt von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, Outset Contemporary Art Fund und dem Förderkreis der Kestner Gesellschaft.Kuratorinnen: Lea Altner und Christina Végh