Zukunftsräume. Kandinsky, Mondrian, Lissitzky und die abstrakt-konstruktive Avantgarde in Dresden 1919 bis 1932 Heimo Zobernig. Piet Mondrian. Eine räumliche Aneignung Demonstrationsräume. Interventionen von Céline Condorelli, Kapwani Kiwanga und Judy RadulDrei Ausstellungen widmen sich im Bauhaus-Jubiläumsjahr historischen und zeitgenössischen Fragen zum Thema Raum, „Display“ sowie konstruktivistischer Kunst. Im Zentrum der Ausstellung „Zukunftsräume. Kandinsky, Mondrian, Lissitzky und die abstrakt-konstruktive Avantgarde in Dresden 1919-1932“, die Meisterwerke aus internationalen Museen vereint, stehen die innovativen Raumentwürfe von Piet Mondrian und El Lissitzky, die 1926 für Dresden entstanden sind. Diese bilden gleichzeitig den Ausgangspunkt für neue Arbeiten zeitgenössischer Künstler*innen. Die historischen Entwürfe sind die gedankliche Vorlage für eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Kategorien von Raum als geometrische Form und als gesellschaftlicher Ort.
Zukunftsräume. Kandinsky, Mondrian, Lissitzky und die abstrakt-konstruktive Avantgarde in Dresden 1919 bis 1932
Eine Ausstellung des Albertinum in Zusammenarbeit mit dem Kupferstich-Kabinett und dem Archiv der Avantgarden kuratiert von Heike Biedermann, Birgit Dalbajewa und Mathias Wagner Ausstellungsort: Albertinum, Salzgassenflügel 1926 entwarf Piet Mondrian in Paris für die Dresdner Sammlerin Ida Bienert ein Damenzimmer in bis dahin nie da gewesener Weise während El Lissitzky in Moskau anlässlich der Internationalen Kunstausstellung Dresden in einem vergleichbar visionären Geist einen Demonstrationsraum für abstrakte Kunst konzipierte. Das Albertinum lädt nun dazu ein, in diese richtungsweisenden und international bekannten Raumgestaltungen von damals einzutreten. Das einmalige Erlebnis dieser Räume – sowohl historisch rekonstruiert als auch virtuell nachgebaut– steht im Zentrum der Ausstellung.
Dresden war – dem Ruf als traditionsverhaftete Kunststadt zum Trotz – in den 1920er-Jahren eine Plattform zur Vermittlung der Kunst des Bauhauses, des russischen Konstruktivismus und der niederländischen De-Stijl-Bewegung. Mit Hauptwerken von Wassily Kandinsky, Piet Mondrian und El Lissitzky sowie von Lyonel Feininger, Paul Klee, László Moholy-Nagy, Oskar Schlemmer und weiteren Künstlern, die zwischen 1919 und 1932 in Dresden präsent waren, erschließt das Albertinum nun die intensive Sammel- und Ausstellungstätigkeit abstrakt-konstruktiver Kunst dieser Zeit in Dresden.
„Zukunftsräume. Kandinsky, Mondrian, Lissitzky und die abstrakt-konstruktive Avantgarde in Dresden 1919 bis 1932“ umfasst rund 180 Werke, darunter Gemälde, Zeichnungen und Grafiken, Reliefs, Skulpturen, Fotografien, Bücher und Dokumente. Es werden Werke aus dem Kunstmuseum Basel, der Nationalgalerie in Berlin, dem Gemeente Museum Den Haag, der Staatlichen Tretjakow-Galerie in Moskau, dem Centre Pompidou in Paris, dem mumok in Wien, dem Kunsthaus Zürich, dem Kupferstich-Kabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sowie 40 weiteren Museen und privaten Sammlungen zu sehen sein.
Die Ausstellung erzählt darüber hinaus bislang kaum bekannte Geschichten über Dresdner Kunsthändler*innen, Sammler*innen und Ausstellungsmacher*innen und ihr großes Verlangen nach Neuem. Sie zeichnet nach, wie die formalen Ansätze einer radikalen Erneuerung der Kunst in den 1920er-Jahren, die auf unterschiedlichen gesellschaftsutopischen Ideen basierten, in die verschiedenen abstrakten und konstruktivistischen Kunstströmungen mündeten.
Kaum bekannt ist zum Beispiel, dass in einer Bildungsanstalt im ehemaligen Festspielhaus Hellerau 1924/25 neben expressionistischen Werken ein Saal für konstruktive Kunst mit Bildern von Lissitzky gezeigt wurde. Die Schau im Albertinum thematisiert bedeutende Ausstellungen wie die „Konstruktivisten-Ausstellung“ 1923 in der Galerie Emil Richter, die erste Einzelausstellung von Piet Mondrian in Deutschland 1925 in der Kunstausstellung Kühl & Kühn und die Jubiläumsaustellungen zu Kandinskys 60. Geburtstag in der Galerie Ernst Arnold. Die Galerie Neue Kunst Fides stellte neben anderen häufig Meister des Bauhauses in zeitgemäßer Ausstellungsarchitektur und in Räumen, die von Hinnerk Scheper gestaltet waren aus. Im Albertinum wird nun diese Gestaltungsidee des Bauhaus-Lehrers aufgegriffen, um auf einer 48 Meter langen, farbig unterteilten Wand Werkgruppen jener Künstler vorzustellen, deren Kunst damals noch kontrovers diskutiert wurde. Bauhaus-Möbel aus der Fides-Filialgalerie ergänzen die Präsentation.
Von den Dresdner Privatsammler*innen, die sich früh für neue Kunst-Tendenzen interessierten, war Ida Bienert die wohl wichtigste Förderin der abstrakt-konstruktiven Kunst. Als Anhängerin des Bauhauses und voller Begeisterung für Ideen des neuen Bauens und Wohnens beauftragte sie 1925 Piet Mondrian mit der Gestaltung eines Raumes in der Villa der Familie in Dresden-Plauen. Zwar konnte der Raum nie verwirklicht werden, die einzigartigen Entwurfszeichnungen dafür sind jedoch in der Sammlung des Kupferstich-Kabinetts erhalten und bilden gemeinsam mit Gemälden Mondrians einen Höhepunkt der Ausstellung.
Lissitzkys Raum für abstrakte Kunst, der ursprünglich als Prototyp geplant und nun im Albertinum historisch rekonstruiert wurde, zielte darauf ab, die Wahrnehmung der damals jüngsten und noch umstrittenen Kunstwerke zu steigern. Mit diesem Demonstrationsraum wollte Lissitzky einerseits die Überladenheit üblicher Ausstellungsräume vermeiden und andererseits eine aktive und bewusste Kunstbetrachtung anregen. Senkrecht montierte, verschiedenfarbig gestrichene Holzlamellen ließen die Bilder je nach Standpunkt auf weißem, grauen oder auf schwarzem Grund erscheinen. Da die 1926 in diesem Raum ausgestellten Bilder heute zerstört, verschollen, übermalt oder zu fragil für den Transport sind, werden in der aktuellen Präsentation Gemälde ungarischer, russischer und rumänischer Künstler*innen, darunter Ljubow Popowa, Alexander Rodtschenko und Lajos d’Ebeneth gezeigt.
Das zur Ausstellung gehörige Raum_Labor lädt das Publikum schließlich zu eigenen gestalterischen Experimenten ein. Vorträge, Stadtrundgänge, Tanzperformances und Angebote für Schulklassen komplettieren das Programm.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Sandstein Verlag: Hrsg.: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Birgit Dalbajewa, Hilke Wagner, Heike Biedermann, Andreas Dehmer, Mathias Wagner; 336 Seiten; 29 Essays; 290 meist farbige Abb.; ISBN 978-3-95498-457-2, 48 €, Museumsausgabe: 26 €.