Für die erste Übersichtsausstellung des Oeuvres von Michaelina Wautier (1604–1689) reichen sich zwei städtische Museen die Hände, eine einzigartige Zusammenarbeit zwischen dem Rubenshaus und dem MAS. Die Ausstellung zeigt in einer Weltpremiere das außerordentliche Talent einer Künstlerin, die in einer Zeit aufwuchs, in der weibliche Künstler sehr selten waren. Ihr Werk ist so vielseitig und einzigartig, dass es alle kunsthistorischen Phantasien übertrifft. Vom 1. Juni bis zum 2. September 2018 ist das Rubenshaus im MAS mit dieser leading Lady des Barocks zu Gast.Glasdecken gab es zu allen Zeiten: Furore machen als Künstlerin im 17. Jahrhundert war eine fast unmögliche Aufgabe. Obwohl Michaelina sich durch ihr außerordentliches Talent nicht vor ihren männlichen Zeitgenossen verstecken brauchte, ist ihr Oeuvre dennoch in Vergessenheit geraten. Im Augenblick sind aus ihrer Hand an die dreißig Werke bekannt. Sie bezeugen eine herausfordernde Thematik und eine überlegene Bildtechnik.
Mysteriöse MichaelinaÜber Michaelina Wautier selbst ist besonders wenig bekannt. Ihr Leben ist kaum dokumentiert. Kurz nach 1640 ließ sich die aus Mons stammende Künstlerin zusammen mit ihrem Bruder, dem Maler Charles Wautier (1609-1703), in Brüssel nieder. Beide blieben unverheiratet und bewohnten ein stattliches Herrenhaus in der Nähe der Kapellenkirche.
Palette mit MutWautier unterscheidet sich von ihren Kolleginnen durch die Vielseitigkeit der Genres, auf die sie sich konzentriert. So wagt sie sich neben Porträts und Genrestücken auch an Historienstücke auf großem Format – eine Herausforderung, die selbst viele männliche Maler nicht annahmen. Sowohl religiöse Themen als auch mythologische Szenen bringt sie mühelos ins Bild. Sie beobachtet die alltägliche Realität und malt sowohl rührende Kinderköpfchen als auch verblüffende Charakterköpfe. Sie beherrscht alle Genres aus dieser Zeit, sowohl auf Klein- als auch auf Großformat. Dadurch war Michaelina Wautier nicht nur einzigartig, sondern auch außergewöhnlich vielseitig.
Parade an MeisterwerkenMichaelina zeigt eine Parade an Meisterwerken, von beeindruckenden Historienstücken bis zu Genrebildern, Blumenstücken und Porträts wie das enigmatische Porträt eines jungen Manns (1653, Ölfarbe auf Leinwand 83,2 x 71 cm, KMSKA). Eines der Schlüsselwerke ist Die mystische Hochzeit der Heiligen Catharina (1649, Ölfarbe auf Leinwand, 181 x 243 cm, Grand Séminaire de Namur). Das Kunstwerk befand sich jedoch in schlechtem Zustand, wodurch eine gründliche Restaurierung nötig war, um es im Jahre 2018 erneut glänzen zu lassen. Die absolute Apotheose ist das Monumentalgemälde Triumph des Bacchus (ca. 1655, Ölfarbe auf Leinwand, 295 x 378 cm, Kunsthistorisches Museum Wien). Mit diesem Werk auf großem Format demonstriert Michaelina nicht nur ohne Scheu ihre Kenntnisse der männlichen Anatomie. Vermummt als eine halbnackte Bacchantin läuft sie selbst auch in diesem vielfarbigen Zug betrunkener Kumpane mit, und schaut sie als einzige der Gesellschaft dem Zuschauer treffsicher in die Augen. Es ist dieser Triumph des Bacchus (oder Bacchuszug), der vor gut 25 Jahren den Startschuss gab für die Kuratorin Katlijne Van der Stighelen, um das Oeuvre von Michaelina zu studieren: “Erst am Ende des 19. Jahrhunderts wurden Frauen an der Akademie zugelassen, in separaten Klassen und mit einem ‘Nacktmodell’ in einem verhüllenden Maillot (Badeanzug). Und diese Dame malt im 17. Jahrhundert ein Werk mit vor allem nackten Männern. Unglaublich!”