Die Reihe „Weltsichten auf Papier“ im Studiolo gibt – im Rahmen der Dauerausstellung „Weltsicht und Wissen um 1600“ – einen Einblick in den facettenreichen Bestand des Kupferstich-Kabinetts der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD).Im Zentrum der Ausstellung „Der erweiterte Blick – Dresdner Stadtbilder in der Frühen Neuzeit“ steht die jüngst erworbene Panoramazeichnung vom Dresdner Elbtal von 1645. Sie stellt ein besonderes Zeugnis der Entdeckung des Weitblicks in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts dar. Die großformatige Zeichnung, die im Vordergrund Landvermesser bei der Arbeit zeigt, diente als Vorlage für einen Kupferstich von Caspar Merian für die mehrbändige „Topographia Germaniae“ – eines der bedeutendsten Werke geographischer Illustration. Vom 30. Juni bis 24. September 2018 wird die Neuerwerbung in den Kontext weiterer Dresdner Stadtansichten des 16. bis 17. Jahrhunderts aus dem Kupferstich-Kabinett gestellt: Gezeigt werden 31 Werke, darunter Grafiken aus der bedeutenden topographischen Sammlung Theodor Bienerts sowie Darstellungen des Riesensaals mit sächsischen Veduten nach den Vorlagen des Oberlandbaumeisters Wilhelm Dilich. Illustrierte Bücher und historische Vermessungsgeräte ergänzen die Betrachtung der frühen Landschaftsdarstellung und -vermessung. Unter den Exponaten befinden sich Leihgaben der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, des Landesamtes für Denkmalpflege in Sachsen und des Mathematisch-Physikalischen Salons der SKD.
Stadtansichten in Städtebüchern, die Ende des 16. und während des 17. Jahrhunderts publiziert wurden, gehören oft zu den ältesten erhaltenen Darstellungen einzelner Städte. Die von den Verlegern beauftragten oder angekauften, vor Ort entstandenen Vorlagen wurden meist mehrfach verwendet, teils abgewandelt und in Holzschnitt oder Kupferstich übertragen. Diese Prozesse, die in Verlagsorten wie Frankfurt am Main oder Amsterdam stattfanden, führten nicht selten zu starken Abweichungen vom Vorbild bis hin zu typisierten Stadtbildern. Die historische Treue der Ansichten ist deshalb nur bedingt verlässlich. Trotzdem wurden topografische Abbildungen oft wegen ihres Zeugniswertes gesammelt, die Identifizierung von „Fehlern“ war eine beliebte Herausforderung für Kenner*innen. Ein solcher „Fehler“ zeigt sich auch auf zwei Blättern der Ausstellung: Sowohl in der jüngst erworbenen Panoramazeichnung als auch auf dem vergleichbaren Druck von Merian sind die Ortsbezeichnungen Scharfenberg und Siebeneichen am rechten äußeren Blattrand ausgetauscht und übertragen worden – ein eindeutiges Indiz für eine Verbindung zwischen den beiden Werken.
Von besonderer Bedeutung für Dresden waren die topografischen Sammlungen des Sprachforschers und Bibliotheksdirektors Johann Christoph Adelung, die Kupferstich-Sammlung König Friedrich Augusts II., die Sammlung des Vereins für Geschichte Dresdens und des Stadtmuseums sowie die Sammlung des Mühlen-Industriellen Theodor Bienert, die sich heute im Kupferstich-Kabinett befindet.
Bienert ließ seine etwa 13.000 Blatt starke Sammlung auf Kartons auflegen und alphabetisch nach Orten sowie überwiegend chronologisch in Mappen ablegen. Vier dieser Kartons werden in der Sonderausstellung präsentiert. Sie zeigen die älteren Dresdner Stadtansichten oder deren Reproduktionen aus dem 19. Jahrhundert nicht als ästhetische Kunstwerke herausgehoben, sondern als geschichtliche Zeugnisse zum unmittelbaren Vergleich praktisch angeordnet. Dabei wird deutlich, dass bestimmte Blickrichtungen auf die Stadt bevorzugt dargestellt wurden: Den Blick von Osten über den Fluss auf die Silhouette von Alt- und Neustadt verwendeten sowohl Franz Hogenberg 1572 für das Städtebuch „Civitatis Orbis Terrarum“ nach einer Zeichnung von Gabriel Tola als auch Matthäus Merian 1650 für den Band „Obersachsen“ der Topographia Germaniae nach einer Zeichnung Wilhelm Dilichs.
Ungewöhnlich ist die Ansicht von Westen, die für Anton Wecks Chronik der Stadt Dresden angefertigt worden ist. Stadtansichten fanden auch im repräsentativen Rahmen der Ausmalung des Riesensaals im Dresdner Residenzschloss Verwendung. Deren Vorlagen fertigte Wilhelm Dilich bei seinen Reisen durch Sachsen in den 1620er-Jahren für den Kurfürsten, der es verstand, Landesvermessung und Besitzanspruch im Festsaal seiner Residenz wirkungsvoll zu verbildlichen. Die verschiedenen Ansichten, die die Ausstellung zeigt, laden so dazu ein, den Blick auf Dresden zu erweitern.
In der Ausstellung liegt ein Booklet aus, das detaillierte Informationen zu den gezeigten Werken gibt.