Dschingis Kahn? Dschebel? Dschunkfood? Dschin Tonic? Kunst als Übersetzungspraxis wird vom Kollektiv Slavs and Tatars wortwörtlich genommen: In ihrer Dresdner Überblicksausstellung „Slavs & Tatars. Made in Dschermany“ stellen die Künstler*innen Sprache und deren Mehrdeutigkeit in den Mittelpunkt und richten ihren Blick unter anderem auf den Tetragraphen ‚dsch‘, der im Deutschen vornehmlich fremde Wörter einleitet. So wie die fremde Buchstabenfolge Teil des Wortes ‚Dschermany‘ und damit zu etwas sehr Eigenem wird, so lädt die Schau ein, das Eigene im Fremden und das Fremde im Eigenen zu erkunden und sich offen mit den Denkansätzen von Slavs and Tatars auseinanderzusetzen.Ab Anfang Juni 2018 zeigt das Albertinum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) die bisher größte Ausstellung des Künstlerkollektivs innerhalb Deutschlands. Raumgreifende Installationen, Tonarbeiten, Skulpturen, Videos und Wandteppiche kreisen dabei unermüdlich um das Thema Sprache. Sprache – in ihrer Entstehung, Entwicklung und Nutzung, in ihrer Form und Unform, in ihrer emotionalen wie politischen Rolle – ist ein zentraler Impuls für das umfassende Schaffen der Künstler*innen. Das wird auch in den zahlreichen Publikationen des Kollektivs deutlich, in denen Slavs and Tatars ihre Ideen entwickeln. Diese Gedanken werden in Form von Lecture Performances, die die Zusammenstellung begleiten, von den Künstler*innen selbst vorgestellt, inszeniert und diskutiert.
Auf eine unerschrockene Art setzt sich das 2006 in Berlin aus einer Lesegruppe entstandene Künstlerkollektiv Slavs and Tatars in seinen Arbeiten mit Traditionen und Gebräuchen, Sprache, Geschichte, Anthropologie, Philosophie und Politik auseinander. Im Zentrum ihres künstlerischen wie diskursiven Werks steht dabei immer auch die Befragung von Glaube und interkultureller Verständigung. Die Künstler*innen beschreiben sich selbst als „Fraktion der Polemik und Intimität, die sich mit dem als Eurasien benannten Gebiet östlich der Berliner Mauer und westlich der Chinesischen Mauer beschäftigt“. Sowohl (sozio-)geografisch als auch kulturhistorisch bewegen sich Slavs and Tatars damit in einem kolossalen Raum, aus dem sich ihr Wissen speist. Ergänzt und in einen weiteren Kontext gebracht werden die Recherchen des Kollektivs durch die spielerische Einverleibung von Gegenwartskultur sowie der Vermischung verschiedener religiöser und philosophischer Lehren – dem Synkretismus, der sich wie ein roter Faden durch zahlreiche ihrer Werke zieht.
Neben der Präsentation im Lipsiusbau sind weitere Arbeiten des Künstlerkollektivs als Interventionen im Albertinum, der Porzellansammlung sowie dem Mathematisch- Physikalischen Salon der SKD zu finden. Ein umfangreiches Begleitprogramm stellt die künstlerische Praxis der Gruppe in Rundgängen vor, lädt zu Gesprächen mit Wissenschaftler*innen ein und schließt mit dem eintägigen Symposium „Sum, ergo Cogito“.
Zur Ausstellung erscheint das Künstlerbuch „Wripped Scripped“, das das Albertinum gemeinsam mit dem Kunstverein Hannover veröffentlichen: Texte von Slavs and Tatars, Gestaltung von Stan de Natris / Slavs and Tatars, Hatje Cantz Verlag, 152 Seiten, 200 Abb., ca. 30 €, ISBN 978-3-7757-4472-0.