Zeitgenössische Positionen in der Auseinandersetzung mit den eigenen Sammlungen – das ist das Ziel der Ausstellungsreihe Sommergast, für die in diesem Jahr Christoph Brech ausgewählt wurde. In vielen vergangenen Projekten hat der Münchener Film- und Medienkünstler einen gekonnten Umgang mit historischen Sammlungen und -orten bewiesen, hatte dabei immer ein sensibles Gespür für die Übersetzung der Kunstwerke ins Heute, ohne deren immanente Wirkung zu schmälern. Für die Ausstellung in Bremen setzt sich der diesjährige Träger des Berliner Kunstpreises mit dem Ludwig Roselius Museum auseinander, integriert bereits bestehende Arbeiten und schafft neue Interventionen, die die alten Meisterwerke und Räume – im wahrsten Sinne des Wortes – in einem anderen Licht erscheinen lassen. Der Titel seiner Ausstellung vom 16. Juni bis zum 16. September 2018 verbindet alles miteinander: Dämmerung. Denn dieser Begriff betont den Zustand des Übergangs, das Schwebende, den Prozess.Zeit. Viel zu wenig setzen sich die Menschen heutzutage bewusst mit dem Wesen und den Eigenschaften dieser Dimension auseinander. Fast wie ein Feind erscheint sie vielen, denn es geht darum, ihren Einfluss zu minimieren, ihre Mechanismen zu durchbrechen. Vielleicht ist auch das ein Grund, weshalb historische Sammlungen heute von Museumsbesuchern und Nicht-Besuchern schnell als nicht zeitgemäß kategorisiert werden. Denn darin spielt Zeit eine entscheidende Rolle, man denke in der Kunst nur an die zahllosen Vanitas-Gemälde. Die Erkenntnis der Vergänglichkeit, die unsere Vorfahren in ihr Leben integrierten und akzeptierten, scheint heute stets verdrängt zu werden. Und doch gilt: Die Zeit gewinnt – egal was der Mensch unternimmt, welche Forschung er betreibt, Technik er entwickelt. Jetzt ist im nächsten Augenblick Vergangenheit, symbolisch gesprochen befinden wir uns in ständiger Dämmerung.
Die Kunstwerke von Christoph Brech in den Museen Böttcherstraße in Bremen schlagen eine Brücke zwischen diesen Welten. Er lädt die Betrachtenden ein, für einen Moment zu entschleunigen, um das Wissen der Vergangenheit zurück ins Bewusstsein zu holen. Er betont die Geschichte der historischen Räumlichkeiten, wählt Sammlungsstücke aus längst verstrichenen Epochen, um sie im Zusammenspiel mit Filmen und Projektionen ins Jetzt zu übersetzen. So wird eine gotische Madonnen-Skulptur in Bewegung versetzt, um ihre zwei Antlitze im Wechselspiel erlebbar zu machen. Das Zusammenwirken der Filme Alpensinfonie und Götterdämmerung mit der Pietà von Tilmann Riemenschneider rückt die Endlichkeit und den Prozess des Lebens in den Vordergrund.
Der Dialog, in den die Sammlungsstücke und Räume in den Museen Böttcherstraße mit den zeitgenössischen Arbeiten von Brech treten, offenbart sich in seiner ganzen Tiefe jedoch erst, wenn sich die Besucherinnen und Besucher Ruhe nehmen und alles in Gänze auf sich wirken lassen. Dann schließlich dämmert es auch ihnen.