Der belgische Künstler David Claerbout arbeitet mit Fotografie, Film, Ton, digitalen Medien und Zeichnungen. Charakteristisch sind seine extrem verlangsamten Bildsequenzen: Bilder, die eigentlich beweglich sind, kommen nahezu zum Stehen. Claerbout erreicht diese Effekte über Diaserien oder über computergenerierte Methoden, die Bewegtbilder zu Standbildern gefrieren lassen. Das Resultat ist eine erhöhte Aufmerksamkeit seitens der Betrachter/innen, die sich der verlangsamten Zeit ausliefern und sich ihr anpassen. Das Kunsthaus Bregenz ist – mit seiner auratischen Präsenz und sensiblen Lichtführung – ein idealer Ort für diese Form der Wahrnehmung.Für Die reine Notwendigkeit / The Pure Necessity (2016), unterzieht Claerbout den Kinderbuch- und Filmklassiker Das Dschungelbuch von 1967 einer Überarbeitung. Tiere werden nicht menschengleich, sondern durch Computeranimation in ihrem artgerechten Verhalten dargestellt. Olympia (The real-time disintegration into ruins of the Berlin Olympic stadium over the course of a thousand years) (2016), ist eine digitale Rekonstruktion des Olympiastadions in Berlin. David Claerbout scannte jeden Stein des berühmten Nazi-Gebäudes und fertigte eine täuschend echte 3D-Version an. Seine Darstellung in Realzeit ist auf tausend Jahre berechnet. Steine erodieren, Pflanzen sprießen. Selbst die aktuelle Wettersituation wird über die Daten einer Webcam simuliert – ist der Himmel über Berlin wolkenlos, so ist er es auch im Film. »Mit einem technologischen Verfahren ist das erste, das verloren geht, die Wahrnehmung von Gleichzeitigkeit. (...) Die Art und Weise, wie sich die Kamera selbstständig bewegt, ohne menschliche Kameraführung, zeigt an, dass es sich um eine vollständig synthetische Situation handelt,« so David Claerbout im Interview mit Elise Lammer, zitiert nach Spike Art Quarterly, Nr. 53, 4/2017. Claerbout errechnet und rendert die Zukunft, aber auch das Jetzt. Olympia ist eine Reflexion über Zeit und Wahrnehmung, der Impressionismus im digitalen Zeitalter.