Grafikdesign in ParisDas Grafikdesign erlebt in den 1920er Jahren international eine Blütezeit und spielt in den großen Avantgardebewegungen eine wichtige Rolle. Es kommt zu vielen neuen Entwicklungen, sei es in der Schriftgestaltung, im Layout oder in der Illustration. Vor allem die verschiedenen Bereiche der Werbung, von denen die meisten bereits im Jugendstil entstehen, können sich nach dem Ersten Weltkrieg wirklich entfalten und sorgen für unzählige neue Aufgaben und Aufträge für Grafiker, Designer und Plakatkünstler. Unter den zahlreichen Gebieten der angewandten Grafik sind es vor allem drei Bereiche, die im Pariser Art Déco zu bedeutenden, eigenständigen Entwicklungen führen: das Plakat der Jahre um 1930, Illustrationen, die in der Regel im innovativen Pochoir-Verfahren gedruckt werden, und Anzeigen für Zeitschriften. Diese erscheinen im Rückblick als besonders charakteristisch, da Schriftgestaltung und Layout, im Vergleich etwa mit Tendenzen im Bauhaus, eine eher untergeordnete Rolle spielen.
PlakateDie Plakate der Jahre zwischen 1920 bis 1930 gehören zu den charakteristischen Ausdrucksformen des Art Déco und gelten auch international als ein Höhepunkt der Plakatgeschichte. Anknüpfend an die große Zeit des Pariser Jugendstilplakates in den 1890er Jahren gelingt es einer kleinen Gruppe von Künstlern, in diesem mittlerweile alltäglichen Medium einen bleibenden Akzent zu setzen. Dabei geht es in Paris nicht um die Entwicklung und den Einsatz neuer Techniken oder Bildformen, sondern um die möglichst spektakuläre einzelne Bild-Erfindung. Stilistisch berufen sich die meisten Pariser Plakatmaler auf den Kubismus als Vorbild, der in den 1920er Jahren in verschiedenen Künstlergruppen zu durchaus dekorativen Formen weiterentwickelt wird. Plakate werden in Gouache oder sogar in Öl an der Staffelei entworfen und dann traditionell lithografisch gedruckt. Zu den führenden Plakatmalern gehören AM. Cassandre, Charles Loupot, Jean Carlu und Paul Colin, jeder von ihnen mit einem unverwechselbaren Stil. Cassandre gilt noch heute als größter Plakatkünstler des 20. Jahrhunderts. Er schafft zwischen 1925 und 1935 rund hundert Plakate, jedes von ihnen auf seine Weise einzigartig, viele von ihnen Meisterwerke, die bis heute die Balance zwischen moderner Gestaltung und eindringlicher Wirkung halten. Während Cassandre und Loupot vor allem im Bereich der Produktwerbung tätig sind, bedient Jean Carlu die ganze Bandbreite vom politischen Plakat über die Produktwerbung bis zum Theaterplakat. Paul Colin dagegen spezialisiert sich auf die Theater- und Cabaret-Bühnen der Stadt. Er porträtiert viele große Sängerinnen und Schauspieler der Zeit. Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist Colins Mappenwerk über die Revue nègre, die Tanzcompagnie der Josephine Baker, die mehrfach in Paris gastiert und für die Colin auch Bühnenbilder und Kostüme entwirft.
Illustrationen im Pochoir-VerfahrenEine Pariser Besonderheit sind die Pochoir-Drucke. Der Begriff meint eigentlich eine Drucktechnik, steht aber zugleich für ein ganzes Genre, nämlich die gehobene und elegante Illustration, die sich vor allem mit Mode und – dezenter – Erotik befasst. Wörtlich übersetzt heißt Pochoir Schablonendruck, doch sieht dies in der Praxis sehr viel differenzierter aus. Zumeist handelt es sich um eine aufwendige Mischung verschiedener Techniken mit einem variierenden Anteil von Handarbeit, so dass die Drucke sich nicht für hohe Auflagen und günstige Preise eignen. Der 1908 erschienene Katalog Les Robes de Paul Poiret – racontées par Paul Iribe verhilft der Technik zum Erfolg: Trotz des anspruchsvollen Verfahrens wird der Pochoirdruck die erste Wahl, wenn es um Illustrationen der neuesten Pariser Mode geht. Sie bestechen vor allem durch die Feinheit des Kolorierens, die durch das Zusammenwirken mehrerer Schablonen und geübter Mitarbeiter ein beeindruckend lebendiges Ergebnis erreichen. Eine Reihe hervorragender Zeichnern wählt das Pochoir-Verfahren als ihr Medium, allen voran Paul Iribe, George Barbier und Georges Lepape; hinzukommen André Édouard Marty, Charles Martin und Pierre Brissaud, um nur die wichtigsten zu nennen. Sie alle treffen sich im Kreis der Illustratoren, die ab 1912 für das Modejournal Gazette du Bon Ton arbeiteten. Noch im Jahr ihrer Gründung erhält die Gazette du Bon Ton Konkurrenz durch das Journal des Dames et des Modes, das wesentlich häufiger erscheint, aber sparsamer illustriert ist. Hier findet sich dieselbe Gruppe von Künstlern wie in der Gazette. Bei beiden Zeitschriften stehen die Themen Mode und Lebensstil im Mittelpunkt. Daneben gibt es eine Vielzahl von Einzelpublikationen mit Pochoir-Illustration, die betuchte Kunden mit Themen des luxuriösen Lebensstils bedienen: Tennis und Golf, Autos und Yachten, elegante Inneneinrichtungen, der vornehme Auftritt, Laszivität und Erotik. 1920 erscheint die erste Ausgabe der französischen Vogue, die bereits auf den Pochoir-Druck verzichtet. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die teuren, mit viel Handarbeit gefertigten Drucke von moderneren Techniken wie der Autotypie abgelöst werden. Bereits 1925 ist der Pochoir-Druck ein Auslaufmodell.
AnzeigenAls sich im 19. Jahrhundert die moderne Konsumgesellschaft entwickelt und Geschäfte vermehrt für ihr Sortiment werben, wächst die Zahl der damals noch jungen Formats der Anzeige beträchtlich. Immer häufiger wenden sich Firmen an Zeitschriften, um großformatige Anzeigen mit Bild in Auftrag zu geben. Dafür kommen allein aus drucktechnischen Gründen nur solche Zeitschriften infrage, die regelmäßig Illustrationen enthalten. Die Ausführung und Gestaltung liegt in der Regel in den Händen der Zeichner, die auch sonst für die betreffende Zeitschrift arbeiten. Die ganzseitigen Anzeigen in der Gazette du Bon Ton, die in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg erscheinen, sind ein Beispiel für dieses Vorgehen. Zu dieser Zeit gehört vor allem Georges Lepape zu den originellsten Zeichnern der Gazette du Bon Ton. Da jede Zeitschrift ihre eigenen Zeichner beschäftigt, kommt es nicht selten vor, dass sich Anzeigen für dasselbe Produkt in den diversen Zeitschriften unterscheiden. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg entwickeln Anzeigen sich erst nach 1918 kontinuierlich weiter und etablieren sich als neue, dem Plakat ebenbürtige Form der Werbung. Die 1920er Jahre nehmen daher in der Geschichte der modernen Anzeige einen besonderen Stellenwert ein. Neue Berufe wie Werbestratege, Werbepsychologe oder auch der des Texters führen dazu, dass einzelne Motive aufeinander abgestimmt werden, dass Geschichten erzählt oder Bilder durch Texte ergänzt werden. Erstaunlich viele der Anzeigen sind signiert, sowohl von Zeichnern als auch von Agenturen, die die von ihnen verantworteten Anzeigen mit einem Kürzel versehen. Auch wenn die Abbildung von Fotografien allgemein üblich ist, werden Anzeigen bis weit über die Mitte der 1920er Jahre hinaus und fast ohne Ausnahme gezeichnet. Die Verbindung von Bild und Text lässt sich in einer Zeichnung leichter und überzeugender umsetzen als mit Fotos.
Künstler: George Barbier, Jean Carlu, AM. Cassandre, Paul Colin, Jean-Gabriel Domergue, Studio Dorland, Maurice Dufrène, Michel Dufet, Jean Dupas, Charles Gesmar, Raymond Gid, Natalja Gontscharowa, Agentur Havas, Auguste Herbin, Paul Iribe, Alexis Kow, André Lambert, Michail Larionow, Fernand Léger, Georges Lepape, Charles Loupot, André Édouard Marty, René Vincent, Gerda Wegener u.v.m.
Katalog: Zur Ausstellung erscheint ein Katalog unter dem Titel Art Déco. Grafikdesign aus Paris in der Edition Braus, Berlin, herausgegeben von Sabine Schulze und Jürgen Döring, 24 x 28 cm, 128 Seiten, ca. 150 Abbildungen, Broschur, ISBN 978-3-86228-183-1, 24,95 Euro (D), 25,70 Euro (A)
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr | Eintritt: 12 € / 8 €, Do ab 17 Uhr 8 €, bis 17 J. frei
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