Vor rund 100 Jahren begann mit dem Ende des Ersten Weltkriegs eine Zwischen-Zeit. Traumatisiert von den Erlebnissen des verlorenen Kriegs, stürzte sich die neue Republik in die „Goldenen Zwanziger“ – bis mit den 1930ern ein unheilvolles Jahrzehnt begann. Viele Kunstschaffende gaben dieser zerrissenen Gesellschaft ein Gesicht – so auch Josef Scharl. Der Münchener zählte zu den vielversprechendsten Talenten seiner Zeit, bis die Nationalsozialisten ihn mit einem Ausstellungsverbot belegten. Nach der Migration in die USA geriet sein außergewöhnliches Werk in Vergessenheit. Die Museen Böttcherstraße widmen Josef Scharl erstmals nach fast 20 Jahren wieder eine umfassende Schau mit 45 Gemälden aus allen Schaffensphasen.Josef Scharls Biografie ist untrennbar verbunden mit seinem künstlerischen Schaffen. Kurz nachdem er sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München abgebrochen hat, findet er in Vincent van Gogh ein wichtiges Vorbild. Er ist beeindruckt von dessen expressiver Malweise und Motivauswahl und fühlt sich bestätigt auf seinem Weg abseits der vorherrschenden Kunstströmungen. Bilder dieser Jahre wie Landschaft mit drei Sonnen (1925) zeugen von dem großen Einfluss des Niederländers auf den jungen Künstler. Doch neben Landschaften und Porträts konzentriert er sich fortan zunehmend auf Motive aus dem Leben der „einfachen“ Menschen, den Armen, Alten und von der Gesellschaft vernachlässigten. Während dieser Phase entstehen einige seiner beeindruckendsten Hauptwerke, darunter Blinder Bettler im Café (1927), in dem er neben van Gogh und Gauguin auch Stresemann, Lenin und Hitler auftreten lässt.
Scharls außergewöhnliche Kunst trifft einen empfindlichen Nerv seiner Zeit. Er wird von Kritikern gelobt, findet Förderer und neue Freunde, ist deutschlandweit gemeinsam mit Otto Dix, Emil Nolde und anderen Künstlern in Ausstellungen präsent. Mit den politischen Entwicklungen der 1930er Jahre werden Scharls Werke jedoch immer gesellschaftskritischer. 
1933 – dem Jahr von Hitlers Machtergreifung – malt er Brennende Sterne oder Geschlachteter Hammel. Selbst gezeichnet von Verletzungen aus dem Ersten Weltkrieg, begegnet er dem wachsenden Militarismus mit Abscheu; seine Bilder von Zerstörung, Trauer und Armut weisen nahezu prophetisch auf den Zweiten Weltkrieg hin. Während er sich mit den Opfern in Bildern wie Drei trauernde Frauen solidarisch zeigt, stellt er die Funktionäre und Verantwortlichen maskenhaft und seelenlos dar, wie in dem Gemälde Hierarchie. 1935 wird er schließlich mit einem Ausstellungsverbot belegt.
Motiviert durch die Freunde, die bereits in die USA ausgewandert sind, verlässt Josef Scharl 1938 ohne Frau und Kind Deutschland, um in New York frei von Restriktionen an den Erfolg der früheren Jahre anzuknüpfen. Überwältigt von den neuen Eindrücken, verändern sich seine Malweise und die Motive sichtbar. Gegen den Siegeszug der aufkommenden Abstraktion kann sich Scharls Kunst jedoch nicht behaupten. Auch in der Rezeption spielt sein Spätwerk eine untergeordnete Rolle. Die Ausstellung zeigt daher bewusst bisher nur selten gesehene Arbeiten aus den 1940er und 1950er Jahren. Deutlich wird hier vor allem eines: Die Distanz zu Deutschland und den damit verbundenen seelischen Belastungen nehmen Scharls Werken die Schärfe. Inhalte treten gegenüber einer malerischen und formalen Reduktion und Verdichtung zurück. 1954 stirbt Josef Scharl nahezu mittellos in den USA. Sein langjähriger und enger Freund Albert Einstein sagt über ihn in seiner Totenrede: »[...] Alles an ihm war echt, ursprünglich und unverdorben. Er sah durch die Tragik und durch die Abgründe dieser Menschenwelt. Er litt darunter so stark wie selten einer, aber nichts an ihn vermochte ihn dauerhaft niederzudrücken [...] Nie war er einem schwächlichen Kompromiss zugänglich, weder als Künstler noch als Mensch. [...]«
Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Ernst Barlach Haus in Hamburg, in dem die Ausstellung als zweite Station zu sehen sein wird.