Unter großem Publikumsandrang wurden am 6. April 2017 zwei Sonderausstellungen in der Neuen Galerie Graz eröffnet, die unterschiedlichste Facetten japanischer Kunst beleuchten: Kampf und Leidenschaft, eine Auswahl japanischer Farbholzschnitte aus dem 18./19. Jahrhundert, sowie Yoshio Nakajima. Out of the Picture, eine Retrospektive für den japanischen Aktions-Künstler Yoshio Nakajima – von dem es bei der Eröffnung eine spektakuläre Performance zu sehen gab.Out of the Picture. Ein vergessener Pionier der Performancekunst Yoshio Nakajima gehört zu den Wegbereitern des Happenings und der Performancekunst in Japan und Nordeuropa – auch wenn sein Name in so gut wie allen einschlägigen Anthologien und Kunstgeschichten fehlt. Kurator Roman Grabner war es daher ein besonderes Anliegen, unter dem programmatischen Titel Out of the Picture die weltweit erste Retrospektive von Nakajimas Performancekunst im BRUSEUM in der Neuen Galerie Graz zu realisieren.
Für die Schau, die Nakajimas Aktionen chronologisch zwischen 1957 und 1972 auf fünf Stationen zeigt, wurden zahlreiche Foto- und Videoaufnahmen sowie diverses Printmaterial aus aller Welt zusammengetragen. Von Japan in die Niederlande, nach Belgien, Schweden und Deutschland, dokumentiert diese Schau Nakajimas Aktionen zwischen Spiel und Anarchie und seinen Bruch mit gesellschaftlichen Alltagsroutinen. Kurator Roman Grabner betont die subtile politische Note von Nakajimas Kunst: „Seine Performances waren an sich nie politisch, sondern wurden stets im situativen Kontext als politisch verstanden.“ Auch Nakajimas Entwicklung im Kontext der internationalen Performanceszene ist entlang der Dokumentation seiner Aktionen ersichtlich. Der Künstler, der seit 1966 in Schweden lebt, entwickelte sich dabei vom Einzelkämpfer zum Kollaborateur und Organisator. Als Gründer der Künstlergruppe Unbeat war er der erste in Japan, der sich ausschließlich der Performance im öffentlichen Raum verschrieb. In den 1970er-Jahren machte er unter anderem Bekanntschaft mit Künstlern wie Otto Muehl oder Hermann Nitsch. Ein freudiges Wiedersehen mit Günter Brus gab es im Rahmen der Vernissage im BRUSEUM, bei der Nakajima die Ausstellung mit einer spektakulären Performance eröffnete und Brus – sprichwörtlich – mit in seine Aktion einband.
Farbenprächtige Geschichtsbilder zwischen Mythos und Wahrheit Die zweite Ausstellung in der Neuen Galerie Graz präsentiert die bunte Themenvielfalt des japanischen Holzschnittes, welche die mythenumwobene Geschichte des Landes ebenso aufgreift wie unterschiedlichste Motive des Alltags dieser Zeit. Aus dem attraktiven hauseigenen Bestand von etwa 280 Farbholzschnitten japanischer Künstler aus der Zeit vom Ende des 18. sowie des 19. Jahrhunderts wählte Kurator Peter Peer 130 Werke für die aktuelle Schau Kampf und Leidenschaft aus. Das Besondere ist, dass dieser Teil der Sammlung bislang nur wenige Male gezeigt wurde. „Jetzt“, so Peter Peer bezugnehmend auf aktuelle, thematisch ähnliche Ausstellungen in der Schirn Kunsthalle Frankfurt, der Albertina in Wien oder dem Musée royaux d’Art et d’Histoire in Brüssel, „lag das Thema in der Luft.“ Auch bei den Vorbereitungen zur Ausstellung Norbertine Bresslern-Roth, die noch bis 17. April in der Neuen Galerie Graz zu sehen ist, zeigte sich der starke Einfluss der japanischen Kunst auf das künstlerische Schaffen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Europa. Vielen Künstlerinnen und Künstlern dieser Zeit dienten die Holzschnitte als Inspirationsquellen und Vorlagen.
Die Ausstellung in der Neuen Galerie Graz präsentiert nun einen Großteil der japanischen Holzschnitte aus ihrer Sammlung erstmals nach thematischen Aspekten gegliedert. Von Kampfszenen und Heldenbildern aus der japanischen Geschichte über die Darstellung von Schauspielern und „zivilisierten Schönheiten“ bis hin zu Szenen des urbanen Alltags sowie der Landschaft als neuentdecktes Bildthema. Mythos und Wahrheit treffen hier ebenso aufeinander wie unterschiedliche Identitätskonstruktionen im Kontext der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, was die Holzschnitte auch mit kritischem Auge betrachten lässt. Nicht zu übersehen sind die Parallelen zur europäischen Kultur und Ästhetik, die sich etwa in der Tendenz zur Romantisierung der Landschaft zeigen. Kampf und Leidenschaft schließt unter anderem mit dem bekannten Werk Die Woge von Katsushika Hokusai – beim Flanieren durch die Ausstellung für so manche Besucher/innen ein kleines Aha-Erlebnis.