Jede Woche neu, doch stets im selben Kleid. Was macht ein Magazin aus, das einer überregionalen Zeitung beiliegt? Wie finden die Magazinmacher die Themen? Was variiert, was bleibt gleich? Welche Rolle spielen die Fotos? Und wie unterscheidet es sich von Zeitschriften, die am Kiosk einzeln erhältlich sind? Am Beispiel des Zeitmagazins beleuchtet die Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) ab dem 17. März 2017 das Konzept und die spezifischen Eigenheiten eines solchen Formats. Das MKG verfügt über eine umfangreiche Sammlung angewandter Grafik, von humoristischen Zeichnungen, typografischen Entwürfen bis zu Illustrationen für Buch- und Zeitschriftentitel.Auch in der Sammlung Fotografie haben Bereiche wie Reportage- oder Modefotografie einen festen Platz. In der Regel werden diese Arbeiten einzeln, d.h. ohne ihren ursprünglichen Zusammenhang gezeigt. Das Konzept eines Magazins dieser Art mit seinem schnellen Wechsel an Themen und Bildern wurde bisher selten in einer Ausstellung betrachtet. Mit einer Auswahl herausragender Fotostrecken aus dem Jahr 2016 zeigt diese Schau den Umgang der Magazinmacher mit Bildern und Illustrationen und stellt die Rubriken und Serien vor. Sie bilden das Gerüst, in das längere Artikel eingebaut werden: Die Bildgeschichten des Zeichners Janosch, das Interview auf der letzten Seite („Das war meine Rettung“), die Alltagskommentare von Harald Martenstein, die Deutschlandkarten mit ihren teils ausgefallenen Fragen (Wie verteilen sich Sonnenuhren, Erlenzeisige oder Hausschlachtungen?), die Träume von Prominenten oder auch die Spiele-Seiten mit den Rätseln. Immer wieder erscheinen auch große politische Reportagen im Heft. Zu sehen sind über 300 Exponate, teils in großformatigen Ausdrucken, mit Arbeiten u.a. von Maurizio Cattelan, Collier Schorr, Lina Scheynius und Janosch, der eigens für die Ausstellung eine Illustration seines Wondrak gezeichnet hat.
In mancherlei Hinsicht ist die Ausstellung ein Experiment: Schwerlich lässt sich eine Zeitschrift in das Medium Ausstellung eins zu eins übersetzen. Hier gilt es, andere Fragen zu stellen und Themen anders zu gewichten. Eine Ausstellung kann die Bilder, Motive und Themen an der Wand ausbreiten und andere Perspektiven ermöglichen. Die Exponate werden nicht nacheinander – wie beim Umblättern – sondern nebeneinander wahrgenommen. Hier setzt die Ausstellung an. In diesem Fall finden die Besucher eine dichte Folge von wechselnden Themen und Motiven vor, von ausgewählten Fotostrecken, unterschiedlichen Bildgrößen und immer wieder anderen Künstlern – Zeichnern, Fotografen, Autoren. Format und Drucktechnik werden dem Medium Ausstellung angepasst. Hinter Glas und Rahmen kommt auch die Qualität des einzelnen Bildes anders zur Geltung als im viel kleineren Druck. So entsteht etwas überraschend Neues. Es wird deutlich, welche Vielfalt und künstlerische Qualität sich in den dünnen Seiten eines solchen Magazins verbirgt. Die Präsentation macht auch das Konzept und die Idee des Layouts sichtbar. Die Hefte, die Rubriken und Reihen können anders betrachtet und miteinander verglichen werden.
Das Zeitmagazin nimmt für sich in Anspruch, seinen Abbildungen einen hohen Stellenwert einzuräumen. Sie sind dem Text gleichgestellt, entstehen oft unabhängig von ihm und werden erst in der Redaktion mit dem Text zusammengefügt. Diesen Eigenwert der Abbildungen demonstriert bereits das „doppelte“ Titelbild: Direkt auf das Titelblatt folgt regelmäßig auf Seite drei ein zweiter Titel, und hier findet sich oft erst ein schriftlicher Hinweis auf das Thema. Eine Besonderheit im Zeitmagazin war die Foto-Rubrik des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan, der 2016 gemeinsam mit dem Fotografen Pierpaolo Ferrari jede Woche ein Motiv liefert, das in grellen Farben die Vorstellungen von Schönheit und Anstand provoziert. Janosch und sein Alter Ego Wondrak – in seiner Unaufgeregtheit der denkbar größte Gegensatz zu Cattelan – sind mit einer Auswahl von originalen Aquarellen vertreten. Vor allem zeigt Wondrak in der Ausstellung, in welcher Höhe er seine Bilder gehängt haben möchte.
An mehreren Stellen wird die Ausstellung interaktiv. Besucher können gemeinsam „um die Ecke denken“ – das bekannte Kreuzworträtsel lösen – und erhalten dafür Hilfestellung zum Eindenken in die ungewöhnlichen Fragen des Rätselmachers Eckstein. An anderer Stelle werden sie aufgefordert Titelredaktion zu spielen, d.h. selbst aus einer längeren Fotostrecke das Titelmotiv – bzw. zwei Titelmotive – auszuwählen. Den Kolumnisten Harald Martenstein kann man hören, lesen und selbst illustrieren.
Die erste Ausgabe des Zeitmagazins erscheint 1970 zum ersten Mal. Schon bald erfreut sich das Heft mit seinen farbigen Anzeigen und Abbildungen steigender Beliebtheit bei Lesern und Anzeigenkunden. 1999 wird es in der gewohnten Form eingestellt, an seine Stelle tritt unter dem Namen „Leben“ ein neues Ressort in der Zeit. 2007 erscheint „die emotionale und persönliche Seite der Zeit“, wie es in der Selbstdarstellung heißt, wieder als eigenständiges Magazin in der Zeit. Seitdem zeichnet Chefredakteur Christoph Amend verantwortlich für die Inhalte. Die Mischung aus Reportagen, Essays, Porträts und Interviews, Fotografien international renommierter Künstler, Kolumnen sowie Kunst- und Stilthemen knüpft an die Tradition des alten Zeitmagazins an. Während Die Zeit ihren Sitz in Hamburg hat, wird das Zeitmagazin eigenständig in Berlin erarbeitet. Doppelungen mit der Zeitung werden durch Absprachen vermieden. Die Redaktion hat einen festen Stamm von über dreißig Redakteuren, Journalisten und anderen Mitarbeitern. Der Umfang des Magazins variiert zwischen 48 und 120 Seiten, abhängig von den Themenschwerpunkten und der Zahl der Anzeigen.
Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg dankt dem Zeitmagazin für die freundliche Unterstützung.