In seiner Reihe „Die Sammlung Fotografie im Kontext“ beleuchtet das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) in einer neuen Schau die Fotografie der Nachkriegsmoderne und stellt ihre gestalterischen und thematischen Strategien vor. Im Mittelpunkt steht Heinz Hajek-Halkes Nächtliche Großstadt von 1951. Die nächtliche Straßen- szene, in der sich die Lichtspuren von Autoscheinwerfern mit einem Raster geometrischer Formen überlagern, er- zählt von der Aufbruchsstimmung und Experimentierfreude der Nachkriegszeit und vereint verschiedene stilistische Traditionslinien, die in dieser Arbeit sichtbar werden. Typisch sind etwa die Lichtexperimente, mit Hilfe derer sich Geschwindigkeit und der Verlauf der Zeit darstellen lassen – in einem Medium, dessen zentrale Technik es ist, einen Moment aus der Zeit herauszulösen. Immer wiederkehrend sind die Motive wie das Stadtleben, der Straßenverkehr und die Autobahn, die in den 1950er Jahren noch für ungebrochenen Fortschritt stehen. Der konzentrierte Blick auf das fotografische Schaffen dieser Zeit Jahre offenbart darüber hinaus den erheblichen Einfluss der Subjektiven Foto- grafie, die von der individuellen Perspektive der Fotografen ausgeht, auf Stil, Gestaltung und Themenwahl. Zu sehen sind rund 30 Arbeiten von Heinz Hajek-Halke (1898-1983), Kōrō Honjō (1907-1995), Peter Keetman (1916-2005), Guido Mangold (*1934), Max Scheler (1928-2003), Otto Steinert (1915-1978) und anderen Fotografen aus den Be- ständen des MKG.Um das Jahr 1950 sucht eine Generation von Fotografen nach einer neuen, zeitgemäßen Bildsprache. Mit ihrer For- derung, alle technischen und gestalterischen Mittel des Mediums zur freien künstlerischen Gestaltung auszuschöpfen, knüpfen sie nicht zuletzt an die Kunst der 1920er Jahre an, die bevorzugt mit den Mitteln der Abstraktion, der Mon- tage und Collage arbeitet. In Abgrenzung zur angewandten Fotografie verfolgen die Fotografen nicht die sachliche Wiedergabe der Welt, sondern interessieren sich für die Verdichtung einer vielschichtigen Aussage über die Dinge in einem subjektiven Prozess. Hajek-Halkes Arbeiten stehen beispielhaft für diesen Ansatz und zeigen, wie sich die Komplexität des modernen Stadtlebens mit experimentellen Mitteln darstellen lässt.
Hier zeigen sich Berührungspunkte mit Arbeiten zahlreicher Fotografen, die mit Lichtexperimenten und Mehrfachbe- lichtungen die Möglichkeiten der Fotografie ausloten, Geschwindigkeit und den Fluss der Zeit sichtbar zu machen. Kōrō Honjō zeigt in seinen Aktstudien Bewegungsabläufe der menschlichen Figur und fragmentiert den Körper zu- gleich in kubistischer Manier. Peter Keetman beobachtet fahrende Autos und Straßenbahnen und beschäftigt sich mit dem Phänomen des städtischen Verkehrs. Auch in den Bildern von Max Scheler und Otto Steinert begegnen uns Fahrzeuge, Straßen und Autobahnen. Sie spiegeln die Auseinandersetzung mit der Aufbruchsstimmung der Nach- kriegszeit wider und lassen sich als Dokumente eines noch ungebrochenen Fortschrittsglaubens lesen. Im Kontrast hierzu steht die Beschäftigung mit Natur und Landschaft etwa in den Bildern von Guido Mangold oder Toni Schnei- ders, die einerseits einem ästhetischen Interesse an Formen und Strukturen folgt, und andererseits zeigt, wie auch ohne verfremdende Effekte ein Ausschnitt der Welt zum Stimmungsträger menschlicher Erfahrungen umgedeutet werden kann.
KuratorenführungenDonnerstag, 9. Februar 2017, 19 Uhrmit Sven Schumacher, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sammlung Fotografie und neue MedienDonnerstag, 30. März 2017, 19 Uhrmit Dr. Esther Ruelfs, Leiterin der Sammlung Fotografie und neue Medien