Sieben Institutionen der Metropolregion Nürnberg zeigen ab dem 15. Januar die „4. Biennale der Zeichnung". Die Zeichnung führt kein Schattendasein. Sie ist aber nicht immer spektakulär. Sie ist aus Sicht des Rezipienten quasi das langsamste bildnerische Medium und beansprucht mehr Betrachterzeit. Deshalb nimmt sie nicht die erste Stelle im Kunstranking ein. Aber sie belohnt dafür oft mit einem Mehr an Wahrnehmung.Dass die Kunst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend selbstreflexiv geworden ist, dürfte bekannt sein. Aber das, was Monika Bartholomé mit ihrem Museum für Zeichnung anstiftet, ist doch auch in dieser Hinsicht ziemlich originell. http://museumfuerzeichnung.com/
Sie ist eine wunderbare Zeichnerin der Andeutung, oft lebt eine ganze Zeichnung von einer einzigen Bewegung, einem einzigen Strich. Ihre Arbeiten sind einmal hochabstrakt, ein andermal narrativ. Ihr Strich kann poetisch oder humorvoll sein, einen melancholischen oder ironischen Charakter annehmen. Doch dass sie ihre Arbeiten integriert in das von ihr aufgebaute und ständig erweiterte Museum für Zeichnung, ist der eigentliche Grund dafür, sie im Rahmen der 4. Biennale der Zeichnung vorzustellen. Eine sich verändernde Installation als Museum zu bezeichnen, ruft Widerspruch hervor: Ein Museum ohne festes Haus und ohne Originale ist keines! Andererseits ist ein Museum ein Ort der Begegnung mit Wissenschaft (Kultur- oder Kunstwissenschaft), ein Ort, an dem die Besucher lustvoll verweilen, um sich selbst aufzuklären. Ein Museum sollte am besten eine öffentliche Präsenzbibliothek haben. Es sollte einen eigenständigen Charakter haben, man will dort nichts finden, auf das man ohnehin überall trifft. In Museum für Zeichnung lebt bis heute die ursprüngliche Idee der Wunderkammer weiter.
Monika Bartholomé schreibt: „Entdecken, verweilen, neue und eigene Bezüge herstellen, dazu möchte das Museum für Zeichnung mit seinem Sammlungsbestand an Abbildungen von Zeichnungen über alle Fachgebiete hinaus, einladen.“
Ein Museum heute braucht auch Sonderausstellungen. Jeder Auftritt des Museums für Zeichnung ist neu. Museumsstifterin und -leiterin Monika Bartholomé setzt sich dieses Mal künstlerisch-phänomenologisch mit dem Ornament auseinander. Das Ornament ist untrennbar mit der Zeichnung verbunden. Aber vor allem ist es Ausfluss einer anthropologischen Konstante, eines menschlichen Bedürfnisses. Das Ornament wurde gefeiert und verteufelt. Die Selbstreflexion nimmt Monika Bartholomé nicht in ihre Arbeiten hinein, sondern legt sie sozusagen in der Umgebung ab, in Fundstücken, Dokumenten, Gedankenschnipseln.
Die Originale im nomadisierenden Museum für Zeichnung sind immer wieder neue und neu arrangierte Arbeiten von Monika Bartholomé. Die erläuternden Texte, die Sekundärliteratur, Grundlegendes zur Zeichnung und zufällige Fundstücke - all das ist ihre subjektive Auswahl und zeigt die Schwerpunkte und Interessen der Künstlerin. So soll es doch sein: Die originale Substanz wird erklärt durch ihre Umgebung.
Das Museum für Zeichnung hatte seinen ersten Auftritt 2015 im Kölner Museum Kolumba (Ausstellung „Der rote Faden. Ordnungen des Erzählens"). 2016 folgte eine Präsentation in der Kunstbibliothek des Sitterwerks in St. Gallen/CH im Rahmen der Ausstellung „Das Denken unterbrechen“. Der Auftritt in Fürth 2017 ist folglich die dritte Präsentation der Kölner Künstlerin mit und innerhalb ihrer konzeptuellen, semimusealen Bibliothek.
© Hans-Peter Miksch