Mit ihrem spielerischen Geist dekonstruiert Judith Hopf Sicherheiten und bringt soziale Parameter und Konventionen ins Wanken. Ihr Bewusstsein der eigenen Grenzen äußert sich in Ironie und Selbstironie, in den linkischen Gesten und Verhaltensweisen ihrer Figuren und bewusst amateurhafter Formensprache sowie in der Verwendung einfachster Materialien. Judith Hopf wurde gerade wegen ihrer einzigartigen, durch die eben genannten Komponenten charakterisierten Position im globalisierten Kunstbetrieb zu einer Ausstellung im Museion eingeladen.
Up ist in der Passage im Erdgeschoss sowie im vierten Stock untergebracht. Dort interveniert die Künstlerin mit einer bedeutenden und für diesen Standort entwickelten Installation. Ausgestellt sind mehr als 30 Arbeiten und darunter befinden sich Videos, Skulpturen und Collagen – verschiedene Arbeiten wurden für diesen Anlass konzipiert und stehen in einem Dialog mit den Räumen des Museion und der Landschaft im Bozner Umland. Die Beziehung zum Südtiroler Alpenpanorama deutet schon die Einladung zur Ausstellungseröffnung an, die von der Künstlerin selbst grafisch gestaltet wurde.
Die Ausstellung wird in der Passage mit dem Video Lily’s Laptop (2013) eröffnet, das eindrücklich das große Interesse der Künstlerin für subversives Verhalten und die Komplexität des Heranwachsens demonstriert: Ein Au-pair-Mädchen, das in einem Apartment allein und ohne die Erlaubnis den Computer zu benutzen, zurückgelassen wurde, rächt sich, indem sie die Wohnung unter Wasser setzt. Die Arbeit legt sich an den Stummfilm „Le Bateau de Léontine“ (1911) an. Trotz der dramatischen Handlung weist das Video auch eine komische Seite auf, mit der die Aufmerksamkeit auf das aktuelle Thema der Allmacht von Computern gelenkt wird und daher auf das weitverbreitete Bedürfnis, 24 Stunden am Tag online zu sein. Den Hintergrund für dieses Video bildet eine von der Künstlerin vorgenommene Intervention auf der Wand der Passage mit dem emblematischen Titel Rain. Ein stilisierter Regen aus mit Temperafarbe gezeichneten schwarzen Tropfen begleitet spielerisch die auf einem Monitor ablaufenden Bilder der häuslichen Überschwemmung.
Der Sinn für Grenzen und für soziale Exklusion steht im Mittelpunkt eines der bekanntesten Videos der Künstlerin: Some End of Things: The Conception of Youth (2011). Hier schreitet ein als riesiges Ei verkleideter Mann durch ein modernistisches Gebäude aus Stahl und Glas und schafft es nicht, eine Türe zu durchqueren, ohne dabei seine „Schale” zu zerbrechen. Mit einfachen Mitteln stellt das Video die Frage ob soziale Ausgrenzung von äußeren Strukturen abhängt, oder das Resultat bestimmter Eigenschaften der ausgegrenzten Subjekte ist.
Im Museion wird dieses Video in einem kreisförmigen Raum (Husse 2, 2016) gezeigt, der eigens für diese Ausstellung im vierten Stock des Hauses geschaffen wurde. Diese aus Stoff gefertigte Struktur ist ein Beleg für die Vorliebe der Künstlerin für einfache Materialien und verweist auf das Ziegelsteinmotiv ihrer jüngsten Skulpturen und des Ausstellungsdesigns. Neben Archivvideos stellt Judith Hopf im Museion mit UP! (2016) auch eine neue Arbeit vor. Die in Zusammenarbeit mit Martin Ebner produzierte Videoanimation zeigt den Gleichgewichtsverlust eines SUV (Sport Utiliy Vehicle) auf einer Bergstraße. Das Schwanken dieses High-Tech-Geländewagens – der noch dazu einen mitgeführten Gegenstand verliert - ist physisch und metaphorisch zugleich und hinterfragt die reale Festigkeit gewisser Statussymbole im Alltagsgebrauch.
In der plastischen Produktion der Künstlerin wird der Humor zu einem Instrument, mit dem die Formensprache der Moderne demontiert wird: Ein Beispiel für diese Position sind animalische Kreaturen, die Hopf „animiert“ indem sie ihnen anthropomorphe Züge verleiht. Diese „Tiere“ werden zu einer Art symbolischen und konzeptuellen Spiegelung für verschiedene menschliche Verhaltensweisen. In diesem Sinn spielt die Schafsherde aus Zement (Flock of Sheep, 2016) sowohl mit den Konventionen der minimalistischen Skulptur – die auf jeden Fall einen Ausgangspunkt für die Arbeiten der Künstlerin darstellt – als auch mit gewissen Verhaltensweisen von Besucherinnen und Besuchern in Kunstausstellungen. Indem sie im vierten Stock zwischen den großen Glasfassaden mit Panoramablick aufgestellt sind, treten Hopfs Tierskulpturen in einen Dialog mit der umliegenden alpinen Landschaft. Das trifft auch auf die Serie der 13 Raben (2016) zu. Am Ursprung dieser Skulpturen standen Verpackungen von Arzneimitteln, die als Porzellan nachgebildet wurden. Diese auf den Geländern neben den Glasfenstern positionierten Objekte bilden eine Verbindung zur Außenwelt und kehren gleichzeitig das so genannte birdwatching (Beobachtung von Vögeln) um, denn scheinbar sind diese es, die hier das Publikum beobachten und nicht umgekehrt.
Die jüngsten plastischen Arbeiten von Judith Hopf bestehen aus Ziegelsteinen – Ball Kugel (2016), Rollkoffer (2016), Hand (2016), Self Portrait mit Problemen (2016) – und verweisen durch visuelle Oxymora oder Paradoxa auf physikalische Erfahrungsgrenzen, etwa wenn ein Fußball oder ein Reisekoffer in ihren Bewegungen aufgrund ihrer schweren und soliden Gestalt wie „eingefroren” wirken. Die Ziegelsteine sind nicht nur der Baustoff für Skulpturen, sondern werden auch als architektonische Module für die Ausstellungseinrichtung eingesetzt. Ein bedeutender im Museion ausgestellter Werkkomplex sind die Collagen. Die Waiting Laptops (2016) zeigen anthropomorph anmutende Notebooks, die auf die empathische Beziehung verweisen, die Menschen zu Gebrauchsobjekten aufbauen. In einer Zeit zunehmend virtueller Beziehungen bleibt die physische und subjektive Erfahrung für Judith Hopf wesentlich und stellt einen Schlüssel zum Verständnis ihrer Kunst dar.
Besucherinnen und Besucher, die sich mit der Kunst von Judith Hopf vertraut machen wollen, können donnerstags um 19 Uhr die Gratisführung durch die Ausstellung in Anspruch nehmen. An diesem Tag bleibt das Haus bis 22 Uhr geöffnet. Die Ausstellung begleitet ein Rahmenprogramm: So führt die Direktorin des Museion und Kuratorin der Ausstellung, Letizia Ragaglia, am 13. Oktober (Donnerstag) um 19 Uhr durch diese Werkschau (in italienischer Sprache). Um 20 Uhr spricht die Kunsthistorikerin und Professorin an der Akademie der Bildenden Künste Wien, Sabeth Buchmann, im Rahmen eines Vortrags über „Lockere Formen“ (in deutscher Sprache).
Anlässlich der Ausstellung erscheint im Verlag Mousse Publishing ein dreisprachiger Katalog (it/de/en) mit Texten von Roberto Pinto und Letizia Ragaglia sowie mit einem Interview mit der Künstlerin von Sabeth Buchmann.
Neben der Ausstellung im Museion beteiligt sich Judith Hopf in Südtirol an einem weiteren Projekt: Sie ist Mitglied der Künstler-Kommission, die junge Talente für ACADEMIÆ auswählt – einer Biennale für Studenten an internationalen Kunstakademien, Kunstschulen und Kunstuniversitäten, die bis zum 30/10/2016 in der Franzensfeste stattfindet.
Judith Hopf, Up Eröffnung 30/09/2016, 19 Uhr. Die Künstlerin ist anwesend. Ausstellungsdauer: 01/10/2016-08/01/2017 Kuratiert von Letizia Ragaglia Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10 – 18 UhrDonnerstag: 10 – 22 Uhr, freier Eintritt ab 18 Uhr, Gratisführung um 19 UhrSamstags und sonntags „Kunstgespräche“ in den AusstellungenRuhetag Montag Eintritt: Vollpreis € 7, ermäßigt € 3,50
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