Begeisterte in den vergangenen Jahren die künstlerisch und ethnologisch einzigartige Schau „Gold der Akan“ die Besucher, wird heuer eine weitere, nicht weniger faszinierende außereuropäische Sammlung der Familie Liaunig als Kontrapunkt zur zeitgenössischen Kunst präsentiert: Glasperlenkunst aus der jüngeren, bis in die Gegenwart reichenden Geschichte unterschiedlicher ethnischer Gruppen aus West- und Zentralafrika.Die rund 300 Exponate – reich mit Perlen geschmückte, zeremoniell genutzte Objekte, aber auch alltägliche Gegenstände – stammen vor allem von dem nigerianischen Volk der Yoruba, den Bamileke und Bamum aus Kamerun sowie dem in der Demokratischen Republik Kongo beheimateten Volk der Kuba. Schmuck, Kopfbedeckungen, Kleidung, Masken und Figuren mit Glasperlenbesatz geben Einblick in ihre Lebenswelten und Traditionen und zeigen nach der von 2008–2015 ausgestellten Schau afrikanischen Goldes eine noch wenig erforschte Facette afrikanischer Kunst. Die optisch aufgrund ihrer Vielfarbigkeit und Farbbrillanz eindrucksvollen Glasperlenarbeiten werden bis heute oft unterschätzt und sind in ethnographischen Sammlungen wenig beachtet. Aus westlicher Sicht wurden Glasperlen oft nur als billiger Ersatz für echte Perlen und Edelsteine wahrgenommen. Darüber hinaus wurden die aus europäischen Glasperlen hergestellten Arbeiten als nicht originär afrikanisch angesehen.
Seit Beginn des kolonialen Handels durch Portugiesen und Niederländer wurden Glasperlen, aber auch Metalle wie Kupfer, gegen Sklaven und Elfenbein eingetauscht und dienten in weiterer Folge auch als Zahlungsmittel. Anfangs wurden nur wenige Perlen zur Verzierung von Kleidung und Körper verwendet, später – infolge der Entwertung von Glasperlen – boten sich neue Möglichkeiten in dekorativen und künstlerischen Bereichen: Um 1900 wurden flächendeckende, auch aufwendige Muster entwickelt. Die Völker, die Perlen benutzen, sehen in ihnen aber nicht nur den rein materiellen, sondern einen vielfältigen ideellen und symbolischen Wert. Die Farben und Formen der Glasperlen verraten viel über ihr Alter, ihre Herkunft und ihre Verwendung an unterschiedlichen Objekten in den jeweiligen Kulturen und unterstreichen so ihre Bedeutung hinsichtlich Repräsentation, Religion, Mystik.
Die vorliegende, relativ junge, in rund 15 Jahren aufgebaute Sammlung „Afrikanische Glasperlenkunst“ wurde von Michael Oehrl wissenschaftlich aufgearbeitet und in dem umfassenden und reich illustrierten Sammlungskatalog, mit Beiträgen von Bettina von Lintig und Peter Liaunig im Katalogteil, publiziert. Das Studium von Primärquellen und Originalobjekten in Museumsdepots ersetzte die oft fehlende Fachliteratur zur Verwendung von Glasperlen in der afrikanischen Kunst.