Die Lübecker Museen verfügen über einen umfangreichen und qualitativ hochwertigen Bestand an historischen Fotografien: frühe Daguerreotypien und Salzpapieraufnahmen, Atelier- und Architekturfotografie des 19. Jahrhunderts, Kunstfotografie der 1920er Jahre, Pressefotografie seit 1900. Bis August präsentiert das Museum Behnhaus Drägerhaus nun die erste fundierte Ausstellung zur Geschichte der Fotografie in Lübeck. Zu sehen sind insgesamt 450 Aufnahmen von rund 80 Fotografen und Fotografinnen. Sie zeigen Typisches und Besonderes aus 100 Jahren Foto- und Stadtgeschichte. Im Rahmen eines Pressetermins wurde die Schau heute der Öffentlichkeit vorgestellt. „Fotografie galt in der Sammlung der Lübecker Museen bislang meist als topografisches oder kulturhistorisches Dokument. Dabei hatte Carl Georg Heise bereits in den 1920er Jahren den Wert der Fotografie als Kunst erkannt und die Fotosammlung in dieser Richtung bedeutend erweitert“, betonte Museumsleiter Dr. Alexander Bastek. „Wir wollen mit dieser Ausstellung nun einen umfassenden Einblick in die Lübecker Fotosammlung geben: von Stadtansichten und Porträts über Perlen der Fotogeschichte bis zur Kunstfotografie der 1920er Jahre.“Lübeck selbst verfügte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts über eine ganze Reihe hervorragender Fotografen. Ihre Werke treten in der Ausstellung in den Dialog mit Aufnahmen auswärtiger Lichtbildner.Einer der renommiertesten Fotografen seiner Zeit war Joseph Wilhelm Pero, der sowohl Porträtaufnahmen als auch Architekturansichten aufgenommen hat – eine Kombination, die bei frühen Fotografen selten war. Seine Porträtaufnahme von Adolf und Betty Wehrmann aus dem Jahr 1845 ist eines von zwei Plakatmotiven der Sonderausstellung.Mit mehreren Werken vertreten sind die Brüder Hermann und Carl Linde. Ihre Porträts und Architekturaufnahmen werden ergänzt durch Aufnahmen aus dem familiären Umfeld. Ein Highlight der Ausstellung ist ein Foto der vier Söhne des Dr. Max Linde, um 1900 aufgenommen. Es trifft im Museum auf das berühmte Gemälde von Edvard Munch, das im Jahr 1903 entstand und eben diese vier Kinder zeigt.Als sehr vielseitig galt Julius Appel, der über 50 Jahre als Fotograf in Lübeck tätig war. In der Ausstellung sind seine Aufnahmen besonderer geschichtlicher Ereignisse zu sehen, unter anderem Fotografien vom Beginn des Ersten Weltkriegs und von der brennenden Marienkirche im Jahr 1942. Von Robert Mohrmann sind Teile seines bemerkenswerten Porträtwerks zu sehen. Die Sammlung der Lübecker Museen enthält 1300 Aufnahmen aus den 1910er bis 1930er Jahren. Eine so umfangreiche Dokumentation einer städtischen Gesellschaft durch einen Fotografen gilt als absolut außergewöhnlich. 30 dieser Bilder werden in der Schau präsentiert.
Insgesamt werden alle wichtigen Fotografieverfahren des 19. Jahrhunderts dokumentiert: Daguerreotypien (1843 bis ca. 1855), Abzüge auf Salzpapier (um 1855 bis 1860), Abzüge auf Albuminpapier (um 1860 bis 1880), Abzüge auf Kollodiumpapier (um1870 bis 1900), Abzüge auf Silbergelatinepapier ab 1900. Zu den bemerkenswertesten Ausstellungsstücken gehören bislang nie publizierte Aufnahmen von Restaurierungsarbeiten am Holstentor (1864/65) und am Lübecker Dom (1866).
Die Sonderausstellung wurde von Jan Zimmermann kuratiert. Der promovierte Historiker und Fotohistoriker, der unter anderem mehrere Lübeck- und Hamburg-Bücher herausgegeben hat, verbrachte bei der Recherche für die Foto-Schau viel Zeit im Archiv und in der Bibliothek der Hansestadt Lübeck. Deren Bestände ermöglichten die biografische Darstellung zu den Lübecker Fotografen und halfen bei der Datierung vieler Fotos. „Die Vielfalt des Fotobestandes ist auch für Lübeck-Kenner neu. Viele Aufnahmen sind noch nie publiziert. Für eine fundierte Erschließung der Lübecker Sammlungen zur Fotografie ist die Ausstellung aber nur ein Anfang. Das wird wegen des Umfanges der Sammlungen nur mit Hilfe der Digitalisierung möglich sein, aus der sich neue Formen der Präsentation von Fotos zur Stadt- und Kulturgeschichte ergeben“, erklärte der Kurator.
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebildeter Katalog (Imhof-Verlag), der für 29,95€ im Museum erhältlich ist.