Esther Stocker „weil die Zukunft der Imagination keinen Widerstand leisten kann“ (Elena Esposito), 2016 Lackiertes Holz Courtesy Esther Stocker und Krobath Wien Foto: Oliver Ottenschläger Esther Stocker „weil die Zukunft der Imagination keinen Widerstand leisten kann“ (Elena Esposito), 2016 Lackiertes Holz Courtesy Esther Stocker und Krobath Wien Foto: Oliver Ottenschläger - Mit freundlicher Genehmigung von: Gast

Was: Ausstellung

Wann: 13.03.2016 - 19.06.2016

Die Ausstellung ABSTRAKT – SPATIAL. Malerei im Raum versteht sich als Agglomerat künstlerischer Positionen, die jeweils auf spezifische Weise Malerei im Raum praktizieren und einander dabei auf der Ebene der geometrisch-abstrakten Formensprache begegnen. Ihr gemeinsamer Nenner ist sowohl in einer diskursiven, den Malereibegriff zu Skulptur und Installation hin ausdehnenden…
Die Ausstellung ABSTRAKT – SPATIAL. Malerei im Raum versteht sich als Agglomerat künstlerischer Positionen, die jeweils auf spezifische Weise Malerei im Raum praktizieren und einander dabei auf der Ebene der geometrisch-abstrakten Formensprache begegnen. Ihr gemeinsamer Nenner ist sowohl in einer diskursiven, den Malereibegriff zu Skulptur und Installation hin ausdehnenden Herangehensweise als auch im räumliche Parameter spiegelnden Vokabular zu finden. In den teilweise eigens für die Ausstellung konzipierten Arbeiten sind stets die Malerei und die mit ihr verbundenen Konventionen jene Referenzgröße, an die im intermedialen Dialog erinnert wird.

Der formalistische Ansatz, der für die Zusammenstellung der in der Kunsthalle Krems präsentierten Arbeiten gewählt wurde, rückt eine inhärente Funktion des geometrisch-abstrakten Formenvokabulars in den Mittelpunkt, nämlich die Malerei und ihre dreidimensionalen Nachbardisziplinen in einen fruchtbaren Status der Ambiguität zu bringen, der wiederum die Wahrnehmung und ihre Konditionierung reflektiert.

Heimo Zobernigs „ins Dreidimensionale gekippte Bilder“ (Isabelle Graw) eröffnen die Ausstellung und markieren damit zugleich den weit gefassten malerischen Raum, der hier auf jeweils spezifische Weise verhandelt wird. Zobernig entwarf 1997 für den alternativen Fernsehsender UTV ein mobiles Fernsehstudio, bestehend unter anderem aus in den Farben des Fernsehtestbildes bemalten Styroporkuben und einem Streifenbild in den Chroma-Key-Farben. Durch inhaltliche Befrachtung und Funktionalisierung wird das Formenvokabular geometrisch-abstrakter Kunst – von Konstruktivismus über Minimal Art bis Neo-Geo – in seiner hedonistischen Empfänglichkeit für unterschiedlichste Kontextualisierungen offengelegt.

Der Zerfall der Malerei in ihre archetypischen Elemente Farbe, Fläche, Form, Rahmen wird von Heinrich Dunst in einer offenen Anordnung dieses Vokabulars reflektiert. Seine „Malerei im Zeichen der Spatialität“ (Peter Weibel) aktiviert die Leerstelle der Wand als gleichberechtigtes Gestaltungselement, Fragen zu Grenzen, Beziehungen und Bezügen treten in den Vordergrund. Durch Fragmentierung wird der physische wie arbiträre Raum zwischen Zeichen und Bezeichnetem fokussiert. Das in seiner Konventionalität äußerst leistungsfähige Medium Malerei setzt durch die Überschreitung der realen Grenzen des Bildträgers seinen Diskurs im Raum fort.

Gerwald Rockenschaub gab Ende der 1980er-Jahre das Malen auf, um in anderen Materialien wie Plexiglas oder Farbfolien seine piktogrammartige Bildsprache fortzuführen. Dabei handelt es sich um eine Form der Übertragung, welche die Malerei oder vielmehr das Malerische in einem anderen Medium reaktiviert. In jenen Werken, die in der Kunsthalle Krems zu sehen sind, sampelt Rockenschaub die Ästhetik seiner neogeometrischen Abstraktion in bunten MDF-Formassemblagen, die als dreidimensionale Objekte an Wänden oder als raumkonstituierende Elemente einen zeitgenössischen Remix aus Konstruktivismus, Minimal und Pop im Raum darstellen.

Herbert Hinteregger verwendet seit Jahren Kugelschreibertinte aus handelsüblichen Bic-Schreibern in einem zeitintensiven Malprozess und thematisiert damit Transformation und Umwertung, Reduktion und Entschleunigung. Verstärkt bindet Hinteregger seit einigen Jahren seine Gemälde in installative Szenarien ein und stellt damit ihren Objektcharakter in den Vordergrund. In seinen Installationen mit leeren Bic-Kugelschreibern, wie im Falle der für die Kunsthalle Krems realisierten Arbeit all over – space detail, scheint Hinteregger den Ausstellungsraum als Negativ- oder Möglichkeitsraum der Malerei zu markieren, wenn er Produkthülle und Produktinhalt einander gegenüberstellt.

Sofie Thorsens Auseinandersetzung mit Fragestellungen modernistischer Formgebung und deren Reflexion räumlicher Dispositive steht im Zentrum ihrer künstlerischen Arbeit. Ein im frühen 17. Jahrhundert gebräuchlicher Typ japanischer Wandschirme namens Whose Sleeves? bildet den konkreten Bezugspunkt ihrer für die Ausstellung entwickelten Arbeit. Entlang der Grenzen und Übergänge zwischen Linie, Fläche und Raum spielt Thorsen mittels Schlagschnurmarkierungen mit der Suggestion von Räumlichkeit, um mit der Frage „Whose Sleeves?“ gleichzeitig Anwesenheit und Absenz von Körpern und Körperlichkeit zu markieren.

Die Materialbefragungen von Michael Kienzer bringen die Malerei teils explizit mit ihrer Schwesterdisziplin Skulptur in Berührung. In den bildhaft gefassten Materialschichtungen tritt das malerische Moment in den Vordergrund, indem an klassische kompositorische Setzungen der gegenstandslosen Malerei erinnert wird. Deren skulpturales Echo erklingt in den raumgreifenden Schichtungen von Materialien unterschiedlicher Farb- und Texturqualitäten ebenso wie in den mittels standardisierter Bauelemente evozierten farbigen Lichträumen.

Die formale Anordnung von Luisa Kasalickys in den Realraum wuchernder Materialmalerei spielt mit dem Erbe suprematistischer raumgreifender Formassemblagen, auch für sie ist ein auf die Malerei bezogener Bildaufbau relevant. Die materielle wie rhetorische Verschiebung besteht zum einen aus einer Überführung der zweidimensionalen Komposition in den dreidimensionalen Realraum, zum anderen reaktiviert Kasalicky Bestandteile der Malerei in einem anderen Medium, wie in den eigens für die Ausstellung in der Kunsthalle Krems entwickelten Arbeiten Synonym für Gruppe 5 und Medley.

In seinen Wandmalereien artikuliert Ernst Caramelle durch die Verwendung eines streng geometrischen Formenvokabulars die architektonischen Gegebenheiten zwar dezidiert als Flächen, doch entfalten sie gleichzeitig aufgrund der Anordnung der Farbfelder, die Schichtungen und Fluchten evozieren, eine suggestive Räumlichkeit. Caramelle setzt sich in seiner Malerei konzeptuell mit dem Ort und den räumlichen Parametern auseinander, deren Logik er durch Brechungen, Doppelungen oder Sequenzen offenlegt. In der Kunsthalle Krems formuliert er eine vierteilige, in sich geschlossene Wandfolge als Raumkörper, der den Umraum in sich aufzunehmen und spielerisch fortzuschreiben scheint.

Mit ihrer Mitte der 1980er-Jahre entstandenen Arbeit Domino schuf Helga Philipp ein Gemälde, das an die Stelle einer geschlossenen Bildform eine flexibel wuchernde Wandarbeit setzte. Die Radikalität des Werks liegt sowohl in der Auflösung des stabilen Bildformats als auch in der Eröffnung eines Dialoges mit all jenen, die Domino künftig nach eigenem Ermessen arrangieren werden. Philipps Paravent, ein als mobile Wand konzipiertes Gemälde, erinnert in seiner Auseinandersetzung mit angewandter Kunst an ihre auf Modulen basierenden Sitzmöbel. Die in ihren der kinetischen Kunst verpflichteten Arbeiten noch dominante virtuelle Bewegung des Bildes ist einer körperlichen Auffaltung gewichen.

Die aus Kartonagen, Acrylglas oder Epoxidharz modular angelegten bildhauerischen Arbeiten von Peter Sandbichler sind Reflexionen über die autogenerativen Qualitäten von geometrischen Grundformen, die eine Maximierung der Fläche zur Folge haben. Eine einmal festgelegte Ordnung bedingt als Einzelbaustein die finale Formsetzung, was auf Sandbichlers in Origamitechnik gefaltete Zeitungsseiten ebenfalls zutrifft. Dort bewirkt die Faltung auch den Übergang vom Status des temporären Informationsträgers hin zu einem jeder konsumierbaren Information enthobenen, nun auf der (Bild- )Ebene kompositorischer Setzungen funktionierenden Medium.

Eine maximal reduzierte Farbpalette trifft in den geometrisch-abstrakten Gemälden von Esther Stocker ebenso wie in ihren Rauminstallationen auf eine klar erkennbare Grundstruktur, die durch das Einfügen minimaler Verschiebungen, Störfaktoren oder Fehlstellen korrumpiert ist. Für die Kunsthalle Krems hat Stocker eine Installation entwickelt, bei der sich der begehbare, fragmentierte Bildraum durch die Bewegung der Betrachter(innen) permanent in flüchtigen Raumbildern konstituiert. Sie setzt mit minimalen bildnerischen Mitteln eine maximale Aktivierung des Realraumes in Gang.

Ingo Nussbaumer schließlich überführt mit seiner ebenfalls eigens für die Ausstellung entwickelten Lichtinstallation 3 to 42 seine profunden Recherchen zur Farbenlehre in eine rational wie sinnlich höchst reizvolle Inszenierung, indem er mittels Diaprojektoren, Spaltblenden und Wasserprismen das Licht in seine farbigen Bestandteile zerlegt und mittels Auffangschablonen deren kombinatorisches Potenzial vor Augen führt. In der Restitution des Lichtes entsteht ein schlüssiges Farbgefüge, eine „Color Proposition“, wie sie sich auch in Nussbaumers Gemälden wiederfindet.

Die Zusammenschau dieser heterogenen künstlerischen Ansätze, die eine mitunter starke formale Nähe auszeichnet, in teils eigens für die Kunsthalle Krems entstandenen Arbeiten ermöglicht eine Reflexion des spannungsreichen Beziehungsfeldes zwischen der Malerei und ihren dreidimensionalen Nachbardisziplinen.

Kuratorin: Verena GamperKonzept: Verena Gamper und Hans-Peter Wipplinger

Zur Ausstellung erscheint die Publikation ABSTRAKT – SPATIAL. Malerei im Raum in Deutsch und Englisch, hg. von Verena Gamper, mit Beiträgen von Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Elena Esposito, Verena Gamper, Jörg Heiser, Manisha Jothady, Ilse Lafer, Susanne Längle, Fiona Liewehr, Andreas Müller, Walter Seidl, Angela Stief, Vitus Weh und Heimo Zobernig/Hans-Christian Dany, 192 Seiten, VfmK Verlag für moderne Kunst, 2016, erhältlich im Shop der Kunsthalle Krems um 24,90 € sowie im Buchhandel.

Peter Sandbichler DIE ZEIT, DOSSIER, 4. DEZEMBER 2014, 2015 Zeitungspapier  50 × 50 × 5 cm Courtesy Peter Sandbichler und Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Innsbruck/Wien  Foto: Peter Sandbichler Peter Sandbichler DIE ZEIT, DOSSIER, 4. DEZEMBER 2014, 2015 Zeitungspapier 50 × 50 × 5 cm Courtesy Peter Sandbichler und Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Innsbruck/Wien Foto: Peter Sandbichler - Mit freundlicher Genehmigung von: Gast / Kunsthalle Krems
Tags: abstrakte Kunst, Malerei

Öffnungszeiten:Di - So und Mo wenn Feiertag 10.00 bis 18.00 UhrTICKETPREISEErwachsene € 10,00Ermäßigt € 9,00