Sneaker erregen erstmals 1985 als Teil der Hiphop- und Jugendkultur eine größere Aufmerksamkeit. Das ist auch das Jahr, in dem Joschka Fischer sich in Turnschuhen zum hessischen Landesminister vereidigen lässt. Dies trug ihm damals noch den Spott-Namen Turnschuhminister ein. Sneaker, von to sneak (engl., schleichen) haben sich still, heimlich und leise vom zweckgebundenen Turnschuh in die Mitte unserer Gesellschaft geschlichen. Rund um die Welt sind sie zu einem entscheidenden Accessoire des modernen Großstadtmenschen geworden. Etwa ein Dutzend große Marken – und hunderte von kleinen – streiten sich um die Gunst der Käufer, und dies immer weniger mit Preiskämpfen, sondern vielmehr mit coolem Image und hippem Design. Natürlich gibt es weiterhin Schuhe für die einzelnen Sportarten. Doch wichtiger sind mittlerweile die Straßenschuhe, die in Serien erscheinen, Eigennamen haben und oft nur in limitierten Editionen auf den Markt gebracht und mit großem Aufwand beworben werden. Die Ausstellung Sneaker. Design für schnelle Füße handelt vom erstaunlichen Aufstieg des Turnschuhs in den letzten dreißig Jahren, von den Sneakern, die im Alltag für Farbe und modisches Bekenntnis sorgen. Als erste größere Schau zum Thema in Deutschland behandelt sie das Phänomen der Sneaker-Kultur aus verschiedenen Blickwinkeln, beleuchtet ihre Bedeutung in der Jugendkultur, das Design, die Marketingstrategien der Hersteller und die Sammlerszene. Gezeigt werden insgesamt rund 250 Exponate, darunter rund 120 Paar Schuhe, historische, von berühmten Sportlern getragene und ausgewählte Preziosen von privaten Sammlern. Designer und Customizer wie Sebastian Thies oder Henriette Wagener kommen zu Wort und Sammler erzählen kleine Geschichten über ihre stolzen Eroberungen. Zu sehen sind außerdem rund 120 Plakate und Promotion-Drucke aus aller Welt, entworfen von jungen Designern und meist verbreitet von großen, oft international agierenden Agenturen, sowie eine Reihe von Werbespots.Die Ausstellung versammelt Schuhe und Plakate von über 20 verschiedenen Herstellern und stellt die bekanntesten Unternehmen wie Adidas, Asics, Converse, New Balance, Nike, Puma, Reebok und Vans vor. Das Hauptaugenmerk liegt auf großen Modellreihen, die einzelne Firmen seit den 1980er Jahren entwickelt haben, zum Beispiel Chucks, Superstars, Stan Smiths, Air Force Ones oder Air Jordans. Ältere Modelle wie ein Laufschuh mit scharfen Spikes aus den 1930er Jahren oder ein Fußballschuh von 1954 erzählen von der Zeit vor dem Sneaker-Boom. Weniger im Zentrum der Aufmerksamkeit als die Schuhe stehen oft die Plakate. Dabei sind es häufig junge Designer und Illustratoren, die hier neue Ideen entwickeln und zu originellen Lösungen finden. Illustration, Fotografie, Computergrafik – alles kommt zum Einsatz. Die gezeigten Plakate und großformatigen Drucke kommen aus aller Welt, von Neuseeland bis Brasilien, von Chicago bis Hamburg. Ein Sneaker ABC klärt auf über Begriffe wie Deadstock oder Jumpman und erläutert, was ein Hype Beast ist oder wofür HTM steht.
Seit gut 150 Jahren gibt es Schuhe für einzelne Sportarten. Man schlägt Nägel durch Ledersohlen, verstärkt Kappen, verbessert die Schnürung. Dies geschieht zunächst in England und für Sportarten wie Croquet, Tennis und Hockey. Einen entscheidenden Schritt bedeutet die Verwendung von Kautschuk: Um 1860 kommen die Plimsolls in England auf, Schuhe mit einer flachen Kautschuksohle. Die Trennlinie zwischen Sohle und Obermaterial trägt ihnen den Namen ein, erinnert sie doch an die umlaufende Ladelinie bei Schiffen, die Samuel Plimsoll eingeführt hatte.
Ein halbes Jahrhundert später beginnt eine neue Etappe in der Geschichte des Turnschuhs. 1917 produziert die Firma Converse in Massachusetts Sportschuhe mit Gummisohlen und einem Schaft aus Segeltuch. Der Basketballspieler Chuck Taylor verbessert das Konzept. 1923 kommen die Chuck Taylor All Stars auf den Markt, schon bald einfach Chucks genannt. Der Converse All Star wird mit über 600 Millionen verkauften Exemplaren zum erfolgreichsten Schuh aller Zeiten. In Herzogenaurach bei Nürnberg beginnen die Gebrüder Dassler in den 1920er Jahren Sportschuhe zu produzieren. Ihr Durchbruch kommt mit der Olympiade in Berlin 1936. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges produzieren sie 200.000 Paar Schuhe im Jahr. Nach 1945 führt ein Streit zur Spaltung des Familienbetriebes in die Firmen Adidas und Puma. Adidas entwickelt sich zum Weltmarktführer in Sportschuhen. 1970 bringt der Konzern den Basketballschuh Superstar auf den Markt, eine der erfolgreichsten großen Serien überhaupt. In Oregon, im Nordwesten der USA, geben ein Jahr später Bill Bowerman und Phil Knight ihrer kleinen Schuhfirma einen neuen Namen: Nike. In nur zwanzig Jahren steigen sie zum erfolgreichsten Sneaker-Hersteller auf.
1985 ist ein Wendejahr in der Geschichte des Turnschuhs: Boris Becker gewinnt Wimbledon – in Schuhen von Puma. Der Basketballer Michael Jordan bringt in Zusammenarbeit mit Nike einen eigenen Schuh auf den Markt: Air Jordan. Und die Hiphop-Band Run DMC tritt in Adidas-Schuhen auf. Joschka Fischer lässt sich, ebenfalls 1985, in Turnschuhen zum Landesminister vereidigen. Der Sportschuh wird zum Schuh für den Alltag und zum modischen Statement.
Sneaker. Design für schnelle Füße entsteht in Zusammenarbeit mit zahlreichen Sammlern, die sich oft nur ungern von ihren besten Stücken trennen. Zahlreiche der gezeigten Plakate und großformatigen Drucke wurden dem MKG von den Designern und Agenturen für die Ausstellung geschenkt.