Von dem mühevollen Leben und den harten Arbeitsbedingungen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts ist in der Werkssiedlung rund um das ehemalige Hochofenwerk in Herrenwyk heute nicht mehr viel zu spüren. Geblieben sind die Architektur und die Parzellenaufteilung mit Gärten und Schuppen, aus denen sich die jetzigen Bewohner eine den neuen Bedürfnissen angepasste Idylle geschaffen haben. Umgeben von Handel, Hafenumschlag und kleineren Betrieben lebt der Künstler Holger Jörn hier seit zehn Jahren. Er hat versucht, in seinen Zeichnungen etwas von dieser Nischenpoesie einzufangen. Seine Ausstellung Im Umkreis des Hochofens wurde am gestrigen Sonntag in der Geschichtswerkstatt in Herrenwyk eröffnet. Außerdem wurde das neue Hochofenmodell eingeweiht.Die Siedlung am Hochofenwerk entstand in den Jahren 1906/1907 parallel zu den Betriebseinrichtungen des Werkes. Es wurde im wahrsten Sinne des Wortes auf der grünen Wiese am Traveufer errichtet. Um zumindest einen Großteil seiner Beschäftigten vor Ort unterbringen zu können, baute das Werk Wohnungen – je nach der Stellung in der Hierarchie des Werkes von unterschiedlicher Größe. Die Villa des Generaldirektors entstand im Westen des Werkes, damit der hier vorherrschende Westwind den Großteil der Abgase in die andere Richtung blies. In der vordersten Reihe der Siedlung standen die sogenannten „Beamtenwohnhäuser“; Wohnungen von 112 qm für die leitenden Angestellten. Dahinter entstanden Meisterhäuser von 90 qm und das werkseigene Kaufhaus. Noch weiter östlich entstand dann die eigentliche Arbeiterwohnkolonie mit Reihenhäusern von 55 qm.Nach dem Konkurs des Werkes 1981 wurden die Arbeiterwohnungen einzeln verkauft. Geblieben sind die Architektur und die Parzellenaufteilung mit Gärten und Schuppen.
Holger Jörn zeigt in der Ausstellung insgesamt 50 Aquarelle, in denen er die Architektur der Siedlung und Details aus der Umgebung festgehalten hat. Zu seiner Technik sagt er: „Die Zeichnung gibt das Bevorzugte des Augen-Blicks wieder. Ein Versuch, das Gesehene leicht und zügig, tagebuchartig zu fixieren. Dabei bevorzuge ich die Rohrfeder, weil sie mit ihrer unregelmäßigen Strichbreite und kurzen Strichfolgen nichts Routiniertes zulässt.“ Holger Jörn wurde 1946 in Göttingen geboren. Seit 1953 lebt er in Lübeck. Er hat sich autodidaktisch ausgebildet. Seit 1983 lebt er als freischaffender Künstler. Er ist Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler Schleswig Holstein. Neben seiner Teilnahme an Jahres- und Landesschauen des Künstlerverbandes hat er seit 1979 Einzelausstellungen in Galerien zu unterschiedlichen Themen gezeigt. Der Künstler bietet an den Sonntagen 20. 3., 17.4., 22.5. und 5.6. jeweils um 15.00 Uhr Führungen durch die Ausstellung an.
Gleichzeitig mit der Ausstellungseröffnung wurde auch das neue Hochofenmodell eingeweiht. Es wurde von der Lübecker Modellbauwerkstatt Architektur & Konstruktionsbau Hans Eberhard Grützmacher nach dem Originalbauplan von Hochofen I des Lübecker Hochofenwerkes aus dem Jahr 1906 angefertigt. Das Modell hat den Maßstab 1:50 und besteht hauptsächlich aus Plexiglas. Der Bau des Modells wurde durch Spenden von Dr. Christian Dräger und des Gemeinnützigen Vereins Kücknitz e. V. ermöglicht.
Für Museumsleiter Dr. Wolfgang Muth hat sich damit ein lange gehegter Wunsch erfüllt. „Endlich ist es möglich gewesen, solch ein Modell professionell erstellen zu lassen. Dem Besucher wird der Aufbau und die Funktionsweise des Hochofens dadurch noch wesentlich plastischer vor Augen geführt als durch die Fotografien aus der Gründerzeit des Werkes.“
Das Museum ist freitags von 14.00 bis 17.00 Uhr, samstags und sonntags von 10.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 3,00 Euro, ermäßigt 1,50 Euro. Gruppen und Schulklassen können jederzeit eine Führung vereinbaren. Telefon: 0451/301152, Mail: geschichtswerkstatt@luebeck.de.