Weite Landschaften mit tiefem Horizont, Seestücke mit bewegtem Wolkenhimmel, stimmungsvolle Interieurs, die ganze Geschichten zu erzählen scheinen und Stillleben, aus denen eine Freude am einfachen Gegenstand spricht – all diese Motive kommen einem so bekannt und vertraut vor. Man denkt gleich an Werke der Weimarer Malerschule, an den Leibl-Kreis oder an die Vertreter des deutschen Impressionismus.Die Namen der Maler, von denen die ausgestellten Werke stammen, dürften allerdings nur den wenigsten Ausstellungsbesuchern etwas sagen: Paul Gabriël, Isaac Israels, Johan Barthold Jongkind, die Brüder Jacob, Matthijs und Willem Maris, Anton Mauve oder Willem Bastiaan Tholen waren und sind in ihrer niederländischen Heimat bekannte Künstlergrößen. Zu Lebzeiten stellten sie auch in Deutschland aus und ihre Werke wurden in den wichtigsten Kunstzeitschriften publiziert. Max Liebermann stand mit vielen holländischen Kollegen in freundschaftlicher Verbindung und er reiste häufig in die Niederlande, um Anregungen und Motive für seine Malerei zu finden. Holland wurde zu seiner „Malheimat“.
Fritz von Uhde fand hier zur Freilichtmalerei und selbst Claude Monet nannte als seinen eigentlichen Lehrer den niederländischen Zeitgenossen Johan Barthold Jongkind.Heute muss diese „niederländische Moderne“ außerhalb unseres Nachbarlandes erst wiederentdeckt werden. Zu einer künstlerischen Entdeckungsreise auf vertrauten Pfaden möchte diese Ausstellung anregen. Alle gezeigten Werke stammen aus der Sammlung Veendorp, die sich als Dauerleihgabe im Groninger Museum befindet. Diese Sammlung bietet einen repräsentativen Überblick über die niederländische Malerei um 1900, deren malerische Qualität und motivische Besonderheit tatsächlich eine Entdeckung ist. Der Bogen der gezeigten Werke reicht vom Naturalismus über den Impressionismus bis zu einem neusachlichen Realismus.
Die Werke der niederländischen Künstler präsentieren sich in der Lübecker Ausstellung auf zweifache Weise innerhalb des Kontextes einer europäischen Malerei: Der Sammler Reurt Jan Veendorp blickte auch auf die für seine malenden Landsleute relevanten Vorbilder aus Frankreich und sammelte eine Reihe bedeutender Werke französischer Künstler wie Camille Corot, Charles-Francois Daubigny und Paul Gauguin, die in der Ausstellung ebenfalls zu sehen sind. Die Sammlung des Museums Behnhaus Drägerhaus ermöglicht den vergleichenden Blick auf die Werke der deutschen Zeitgenossen: Max Liebermann, Max Slevogt, Lovis Corinth, die Weimarer Malerschule, den Leibl-Kreis und nicht zuletzt Gotthardt Kuehl.
Die von der niederländischen Kunsthistorikerin Elise van Ditmars kuratierte Ausstellung wird nach der Lübecker Präsentation noch in Würzburg (Museum im Kulturspeicher), Freiburg (Augustinermuseum) und Aachen (Suermondt-Ludwig-Museum) zu sehen sein. Zur Ausstellung erscheint ein reich bebildeter Katalog (Imhof-Verlag), der für 19,80 EUR im Museum erhältlich ist.