Seit mehr als 15 Jahren beschäftigt sich Clemens Fürtler mit dem Thema Raum in einer modernen, urbanen Welt. Zunächst setzte er dieses Sujet vor allem malerisch um, bevor er im Jahr 2000 damit begann, sogenannte „Bildmaschinen“ zu konzipieren. Im Mittelpunkt stehen für ihn dabei die Inszenierung und Erkundung von geschaffenen Räumen, die er mit Fahrzeugen, die sich in der Skulptur bewegen, erforscht.„Clemens Fürtler setzt sich mit den Themen Raum und Verkehr nur auf den ersten Blick auf spielerische Art und Weise auseinander. Er schafft es, hochkomplexe Themen mit den Mitteln aus scheinbar längst vergangenen Kindertagen aufzubereiten“, betont PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen. Und fährt fort: „Fürtler kreiert scheinbar virtuelle Räume aus Licht und Schatten. Er fordert uns auf, sich mit den aktuellen Themen Geschwindigkeit, Raumbildung und auch Enge auseinanderzusetzen“.
Bildmaschine 07Bei Fürtlers „Bildmaschinen“ handelt es sich um kinetische, bildgenerierende Skulpturen, die er aus Bauteilen für Modelleisenbahnen und -autobahnen zusammensetzt. Die „Bildmaschine 07“, eigens für die Schau im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum angefertigt, ist seine bisher größte Installation. Sie stellt eine ca. 10 x 5,5 x 2,2 m große Stadt dar, die aus Bauteilen einer Carrera-Rennbahn zusammengesetzt ist. Die Häuser der Stadt sind auf ihre Umrisse reduziert und werden mit Fahrzeugen befahren, die beleuchtet sind. Die Installation wird in der Mitte durch eine Mauer geteilt, die jedoch für die Vehikel durchfahrbar ist. Knapp fünf Minuten dauert die Fahrt eines Lastwagens, der währenddessen eine große Anzahl an filmischen Aufnahmen produziert. Spiegel an einer Seite der Installation vervielfachen die „Bildmaschine“ und lassen sie größer erscheinen; die andere Seite wird abgedunkelt – nur die LED Scheinwerfer der Fahrzeuge werfen Schattenbilder an die Wände und bilden für die BetrachterInnen eigene Bildwelten.
Fürtler experimentiert mit Licht und Schatten und hält die Fahrten der Fahrzeuge im Bild fest, filmt und fotografiert die architektonischen Gebilde aus verschiedenen Perspektiven. Die entstehenden Fotografien, Videos und Schattenprojektionen dienen als Vorlagen für seine Gemälde, Aquarelle bzw. gelangen mit der „Bildmaschine“ selbst zur Ausstellung. Im zweiten Ausstellungsraum, der über dem ersten liegt, zeigt der Künstler das Video einer Durchfahrt, ein Gemälde und mehrere Fotogramme, die alle im Zuge der Entwicklung der „Bildmaschine 07“ entstanden sind.
Inspiration VerkehrBesonders ein Aufenthalt in der asiatischen Metropole Kathmandu in Nepal, in der sich Fürtler im Rahmen eines Artist-in-residence-Programms gelebt hat, hat Fürtler für die Themen Verkehr und Mobilität sensibilisiert. Vom brodelnden Verkehr und der Hektik des Straßenlebens angetan, begann Fürtler damit, sich auch in seinen Werken mit der Thematik auseinanderzusetzen. Vorerst noch in Form von Bildern widmete er sich Straßenszenen, entwickelte aber immer abstrakter werdende Bildräume zum Thema. In seiner Serie „Traffic“ zeigte der Künstler 2001 nicht mehr den Verkehr selbst, sondern Bauten und Konstruktionen, die diesen überhaupt erst ermöglichen. „Durch seine intensive malerische Auseinandersetzung mit Verkehr und Raum, entwickelte Fürtler die Idee, seine eigenen Straßensysteme zu bauen und die Möglichkeit zu haben, seine Bildsujets als Ganzes zu überschauen, sich aber auch darin bewegen zu können“, betont Dr. Günther Dankl, Kurator der Ausstellung und Kustos der Kunstgeschichtlichen Sammlungen ab 1900 & Graphischen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen. So entstanden die ersten „Bildmaschinen“, die dem Künstler Vorlagen und Ideen zu Gemälden und Fotografien lieferten. Im Mittelpunkt stehen seither die Schaffung und Inszenierung von Verkehrssituationen und –räumen mittels Licht, Film, Fotografie und Malerei.
MaschinenkunstMit seinen „Bildmaschinen“ bewegt sich der Künstler nicht nur zwischen den Medien Skulptur, Fotografie, Malerei, Film und Theater. Er schlägt damit auch eine Brücke von der Maschinenkunst des 20. Jahrhunderts hin zur aktuellen Gegenwartskunst, in der die Grenzen zwischen Mensch und Maschine immer mehr ins Wanken geraten. In Fortsetzung der „Klassiker“ der Maschinenkunst, wie z. B. Jean Tinguely oder Rebecca Horn, delegiert Fürtler in seinen „Bildmaschinen“ den Schaffensakt ebenfalls an die Technik, greift dabei jedoch inszenierend in diesen ein. Anders als bei Tinguely geht es bei Fürtler nicht um die Bewegung der Maschine selbst, sondern um die hervorgerufenen Bilder. Die „Bildmaschinen“ lassen sich, wie Skulpturen, von allen Seiten anschauen, aus jeder einzelnen Perspektive lässt sie immer wieder neue überraschende Ansichten zu.
Bilder im KopfBeim Anblick der „Bildmaschinen“ entstehen im Kopf des Betrachters automatisch Handlungsstränge. Was zu sehen ist, ist stets so verfremdet und ausschnitthaft, dass die BetrachterInnen es für sich selbst vervollständigen und mit Fantasie füllen. Assoziationen zu Film Noir oder Science-Fiction-Filmen liegen nahe. Bei manchen Bildern der „Bildmaschine“ schafft man es völlig zu verdrängen, dass die Bilder einen realen Ursprung haben. Wahrscheinlicher wäre es, dass es sich bei den Bildern um 3D-Installationen handelt, die komplett am Computer entwickelt wurden.
Das Medium FotogrammDie Fotogramme zur „Bildmaschine 07“ entstanden in Zusammenarbeit mit Moritz Friedel. Für diese wurden die Lichtspiele der „Bildmaschine“ ohne zwischengeschaltete Apparatur aufgezeichnet. Das Fotopapier wird dazu an der Wand befestigt und für eine kurze Zeit belichtet. Der Raum, in dem die Maschine steht, muss dabei absolut lichtundurchlässig sein und wird dadurch zur fotografischen Dunkelkammer. Die schwarzweißen oder farbigen Fotogramme lassen die Strukturen der „Bildmaschine“ noch abstrakter als auf Fotografien erscheinen. Die Konturen verschwinden optisch in den Konstellationen der verschiedenen Farbflächen. Für die Ausstellung im Ferdinandeum hat Fürtler erstmals mit diesem Medium experimentiert.