Für das Karikaturmuseum Krems, dem einzigen Haus i n Österreich für Karikatur, Satire, Comic und Cartoon , ergibt sich diesen Herbst die großartige Möglichkei t, zwei Zeichnerinnen und Meisterinnen ihres Fachs aus verschiedenen Generationen zu präsentieren: Marie Marcks (1922-2014) war die bekannteste und wichtigste Karikaturistin, Grafikerin und Buchautor in im deutschen Sprachraum. Parallel dazu wird mit Barbara Yelin (geb. 1977) eine mehrfach prämierte Zeichnerin der Graphic Novel-Szene in einer Personale vorgestellt.Es reichte nicht, dagegen zu sein, ich wollte etwas tun. (Marie Marcks im Interview mit Spiegel Online , 9.8.2012)
Als Chronistin ihrer Zeit hat Marie Marcks mit Tusc he und Feder gesellschaftspolitische Themen stets ohne erhobenen Zeigefinger bearbeitet. Ihre speziel le Sicht, der anfangs scheinbar idyllische Blick, war und ist eine radikale Auseinandersetzung mit de n wichtigen Themen unserer Zeit: ein kritischer Blick auf die Nachkriegszeit, die Rüstungspolitik u nd ein klares Statement für Friedensarbeit und Umweltschutz. Marcks thematisierte und analysierte m it glasklarem Blick, zeichnete gegen Lobbyisten der Atompolitik, über Innen– und Außenpo litik und mahnte für die Einhaltung der Menschenrechte. Wie keine andere Karikaturistin vers tand sie es den Betrachter für ihre Anliegen zu sensibilisieren. Ihre Geschichten öffneten einer ga nzen Generation die Augen für die Widersprüche des Alltagslebens, für die Komik der Geschlechterver hältnisse und die große, weite Welt der Beziehungen von Eltern und Kindern.
Ich wünschte mir so irrsinnig, dass ich glücklich w erde – und dass ich auch merke, wenn ich ́s bin! (Marie Marcks mit etwa 17 Jahren in ihrem Tagebuch , zit. nach Meister der komischen Kunst. Marie Marck s, S. 105)
Marie Marcks wurde 1922 in Berlin geboren und lebte vorwiegend „in turbulenten Familienverhältnissen“ in Heidelberg. Ihr Vater war Architekt, die Mutter Grafikerin und
Kunstlehrerin. Ihr Onkel war der Bildhauer Gerhard Marcks. Nach einer Ausbildung an der Kunstschule der Mutter studierte Marie Marcks noch während des Zweiten Weltkrieges einige Semester Architektur in Berlin und Stuttgart. Nach Abbruch des Studiums arbeitete sie als selbstständige Kunstschaffende in Heidelberg. Ihre künstlerische Karriere begann mit Film- und Jazzplakaten, die Marie Marcks in den 1950er- und 1 960er-Jahren für Studentenfeiern, Jazz- und Filmclubs oder Veranstaltungen der amerikanischen A rmee angefertigt hatte. Einflüsse von Pablo Picasso, Jean Cocteau und der expressionistischen D ruckgrafik sind klar erkennbar. 1958 bekam sie die grafische Gestaltung des bundesdeutschen Beitra gs auf der Expo 58, der Weltausstellung in Brüssel übertragen.
Ich bin meine eigene Frauenbewegung. (Marie Marcks im Interview mit der TAZ, 25.8.2012)
Anfang der 1960er-Jahre begann Marie Marcks politis che Karikaturen zu veröffentlichen. Mit Themen aus dem gesellschaftspolitischen und feministischen Bereich machte sie sich schnell einen Namen und wurde bald die bedeutendste und gefragteste Kar ikaturistin der Bundesrepublik Deutschland. Marie Marcks veröffentlichte zahlreiche Bücher und z eichnete regelmäßig Karikaturen für weit verbreitete Publikationen wie der Süddeutschen Zeitung , dem Stern , dem Spiegel und den Satirezeitschriften Titanic und pardon . Ihre Bilder, schwarz/weiß oder in Buntstift, sind oft mit Sprechblasen oder Untertexten ausgeführt und entwic keln sich zu Geschichten mit starken, politischen Bezügen. Mit Detailreichtum und Wortwit z hat Marcks bis ins hohe Alter Position in politischen Fragen bezogen und ihre Umwelt mit poin tierten Zeichnungen kommentiert. Dabei schöpfte sie immer aus ihrem reichen Erfahrungsscha tz als Mutter von fünf Kindern, als Alleinerzieherin und freischaffende Künstlerin. Ihr e autobiografischen Aufzeichnungen aus dem Familienalltag sind ein wichtiges Votum für die Gle ichstellung der Frau in Beruf, Gesellschaft und Familie. Marcks gilt als Vorbild vieler jüngerer Kar ikaturisten und Zeichnerinnen, wie u.a. auch für di e aktuelle AIR-Artist in Residence-Künstlerin Barbara Yelin, und ist zeichnerisch eine Weg- und Zeitgenossin der viel jüngeren Franziska Becker und Claire Bretécher.
Für ihre couragierten Karikaturen und ihren Einsatz für die Umweltpolitik, einer neuen Frauen- bzw. Gesellschaftspolitik wurde Marie Marcks oftmals aus gezeichnet. Neben dem Bundesverdienstkreuz (1994) erhielt die Karikaturistin 2002 für ihr Lebe nswerk den „Göttinger Elch“ und 2008 den Deutschen Karikaturenpreis. 2014 übernahm das Museu m Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover den Vorlass d er Künstlerin mit rund 2000 Blättern. Die Leihgaben zur Ausstellung stammen aus diesem Bestan d sowie aus dem caricatura museum frankfurt.
Kurator: Gottfried Gusenbauer