Mit der konzentrierten Einzelpräsentation »rita mcbride | gesellschaft« zeigt die kestnergesellschaft vom 17. Oktober 2015 bis 10. Januar 2016 eine erste Übersichtsschau der amerikanischen Künstlerin Rita McBride in Deutschland und ermöglicht einen Einblick in rund 20 Jahre ihres künstlerischen Schaffens. Die Ausstellung markiert das kuratorische Debüt der Direktorin Christina Végh in Hannover und umspannt die gesamte Ausstellungsfläche der kestnergesellschaft. Die raumgreifenden Skulpturen und Installationen aus den Jahren 1997 bis 2015 illustrieren Rita McBrides komplexe künstlerische Praxis. Als Bildhauerin bekannt, liegt ihr Fokus nicht auf einer einschlägigen künstlerischen Handschrift, vielmehr fasziniert sie die Möglichkeit, immer wieder neue Bezugsnetze zu schaffen, mit denen diffus erlebte Begriffe wie »Öffentlichkeit« und »Gesellschaft« sichtbar gemacht und hinterfragt werden können. Mit dem Ausstellungstitel »gesellschaft« legt die Künstlerin inhaltlich ein besonderes Augenmerk auf die kestnergesellschaft, die 2016 ihr hundertjähriges Bestehen feiert, und das zivilgesellschaftliche Engagement ihrer Mitglieder.Rita McBrides Werk fußt auf der Tradition der Minimal Art und Institutionskritik zugleich. Profane Dinge aus dem Stadtraum – Leitsysteme wie Abluftschächte oder Elektrokästen, die wir kollektiv übersehen, jedoch das gesellschaftliche Miteinander umso mehr prägen – bilden oftmals den Ausgangspunkt ihrer Arbeiten. In ihrer künstlerischen Praxis interessiert sich McBride für die der Gesellschaft zugrundeliegenden Strukturen und Systeme, die uns unmerklich steuern und Bewegung und Handeln erst ermöglichen. Ihr Werkbegriff, der seit den frühen 1980er Jahren Literatur oder Performance miteinschließt, macht sie heute für eine jüngere Künstlergeneration besonders interessant. Rita McBride (*1960 in Des Moines, Iowa) ist seit 2003 Professorin für Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf und steht der Hochschule seit 2013 als Rektorin vor. Ihre Werke waren in Einzelausstellungen u.a. in der Wiener Secession (2000), dem Museum Abteiberg, Mönchengladbach (2008), und im Museum of Contemporary Art San Diego (2014) zu sehen.
An zentraler Stelle steht die raumsprengende Arbeit »Arena« (1997), die die gesamte Kuppelhalle der kestnergesellschaft für sich einnimmt. Das Stecksystem, bestehend aus einer komplexen Schichtung von Sperrholz und Kevlar, ist zugleich Skulptur und Begegnungsort und fasst ca. 60 Personen. Seit ihrer Entstehung waren in »Arena« mehr als 100 Künstler, Musiker, Kuratoren und Politiker zu Gast.
In Hannover initiiert Rita McBride in der »Arena« eine Veranstaltungsreihe, die interne und externe Protagonisten der kestnergesellschaft gleichermaßen zu Wort kommen lässt, und hinterfragt, wie sich zivilgesellschaftliches Engagement am Beispiel der kestnergesellschaft formuliert und ausprägt. Darüber hinaus sind die Mitglieder der kestnergesellschaft dazu aufgerufen, »Arena« in so genannten »Blind Date« Veranstaltungen für sich einzunehmen und als Versammlungs- oder Vorführungsort zu nutzen. Auf diese Weise entsteht während der Ausstellungszeit ein »alternatives Porträt« der kestnergesellschaft. »Arena«, ursprünglich für Witte de With (Rotterdam) konzipiert, verfügt heute über eine illustre und internationale Ausstellungsbiografie, darunter Kunstverein München, Tate Modern (London), Museo Tamayo (Mexico City), Total Museum of Contemporary Art (Seoul), Moderna Museet (Stockholm) und Museum of Contemporary Art San Diego.
EXTRAMit Beginn der Ausstellungszeit »rita mcbride | gesellschaft« ergänzt Christina Végh das Vermittlungsprogramm der kestnergesellschaft um das sogenannte »Extra«. Hierbei handelt es sich um einen von den ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern hinterlassenen Gegenstand, der für ihre jeweilige Werk- oder Ausstellungsgenese bedeutsam war. Das »Extra« kann alles sein, außer einem weiteren Kunstwerk. Es dient einem zusätzlichen spielerischen Zugang zur Ausstellung und fließt in die Vermittlungsprogramme ein. Die Künstlerin Rita McBride hinterlässt eine Slideshow zur Kulturgeschichte des Schlüssels und knüpft damit an ihre neueste Werkreihe »Keys« (2015) an.