In einer zunehmend globalisierten Welt, deren einzige Kontinuität in der unablässigen Verflechtung von Diskontinuitäten steht, haben verbindliche Systeme und Zeichen, Symbole und Allegorien längst ihren Gehalt als gesellschaftliche Übereinkunft eingebüßt. Im Bewusstsein der verloren gegangenen Verbindlichkeiten generieren zeitgenössische Künstler in ihren Werken subjektive Codes und geheimnisvolle Chiffren, deren Lesarten vieldeutig und kontextbezogen sind, doch keinesfalls hermetisch.Die Antwort auf die populäre Frage “Was will uns der Künstler mit seinem Werk sagen?” kann allein in der Sprache der Kunst erfolgen. Die Künstler selbst mögen dazu allenfalls Indizien anführen und gegebenenfalls neue Kunsttheoreme oder Kuratorenkonzepte füttern, sofern sich diese nicht längst verselbständigt haben. Denn Kunstwerke sind nicht dazu gedacht, Lösungen zu bieten oder Fragen zu beantworten, sondern vielmehr dazu, existentielle, gesellschaftliche und philosophische Phänomene zu hinterfragen und zu transzendieren. Es sind keine simplen Nachrichten, die auf einer minimalen gemeinsamen Schnittmenge der Verständigung von Sender und Empfänger beruhen, sondern offene komplexe Botschaften.
"… Kunstwerke sind Botschaften. Und da alle Botschafter Engel sind – durchaus Engelswerke. Doch ohne göttlichen Absender und gläubigen Adressaten werden die Engel zu Idioten, die ihre Botschaften im Nichts tragen. Dieses Schicksal teilen wir alle miteinander. Künstler ganz besonders. Sie verharren immer an der Schwelle zwischen Nicht-wissen-von-wem-losgeschickt und an wen abgesandt, zwischen Misstrauen und Vertrauen, Zögern und Wollen, Erinnern und Begehren. Dieser Zustand bringt sie in eine Lage, wo nichts mehr aus sich selbst heraus gesichert ist und wo das Verstehen immer um ein "Ja" der Zustimmung bitten muss, damit die Gabe der Botschaft offene Augen und Ohren erreicht. Das Missverständnis ist dabei positiv immer miteingerechnet…"¹
Ob individuelle Mythologien, epistemologische Metaphern, verstrickende Geheimnisse, rätselhafte Botschaften, verblüffende Perspektiven, Paradoxa, Verstörungen, Entlarvungen, Transformationen, Dekonstruktionen oder Atopien – das Angebot an Entdeckungen und Erkenntnissen ist bei konzentrierter Betrachtung überwältigend. Nicht alles muss dabei begreifbar und schon gar nicht benennbar sein, denn Künstler erfinden per se etwas, was niemand zu brauchen scheint. Aber gerade diese Nischen brauchen wir am meisten in unserer Definition des Menschseins. Entsprechend der Offenheit der Kunstwerke erfolgt unsere offene Einladung des Publikums mit den Worten:„Jawohl, nehmt, was ihr wollt! (…) Macht Rhizome, und keine Wurzeln! Seid nicht eins oder viele, seid Vielheiten! Lasst euch keinen General entstehen! Macht Karten, keine Fotos oder Zeichnungen! Seid der rosarote Panther! Und mögen eure Lieben sein wie die Wespe und die Orchidee, wie die Katze und der Pavian!“² (Text: Eva Ruhland)
¹ Auszug aus dem Text von Michael Hofstetter zu Pavel Zele©hovskys Intervention im Dachauer Wasserturm „Feuer im Wasserturm“, 9.11.2009; ² Gilles Deleuze, Félix Guattari, Rhizom
Plan B wie BiennaleDie Biennale der Künstler im Haus der Kunst München findet in diesem Jahr zum zweiten Mal statt. Die Ausstellungsleitung der Großen Kunstausstellung, die von den drei Gruppierungen – Münchener Secession, Neue Münchner Künstlergenossenschaft und Neue Gruppe - im Jahr 1948 gegründet wurde, hat mehr als 60 Jahre lang die Großen Kunstausstellungen im Haus der Kunst München veranstaltet. Sie hat sich nach dem Paradigmenwechsel - die Ausstellung findet seit dem Jahr 2013 alle zwei Jahre als Biennale der Künstler mit einem neuen Konzept statt - neu aufgestellt und heißt seit dem Jahr 2014 Künstlerverbund im Haus der Kunst München.