Eva Aeppli, am 2. Mai 1925 in Zofingen (CH) geboren, wächst mit ihren Eltern und drei Geschwistern in Basel auf. Sie besucht dort die Steiner-Schule, die von ihrem Vater mitbegründet worden ist. Während des 2. Weltkrieges belegt sie Kurse an der Kunstgewerbeschule und schafft erste Stofffiguren, Handpuppen, die sie in verschiedenen Geschäften verkauft. Ihr eigentliches künstlerisches Werk – die Handpuppen betrachtete sie als Broterwerb – beginnt sie erst in Paris.
Nach einer ersten Ehe mit dem Architekten Hans Leu, aus der 1946 ihr Sohn Felix-Vital hervorgeht, ist sie bald die Partnerin von Jean Tinguely. Sie lebt mit ihm im Burghof, einer Abbruchvilla an der Stelle gelegen, an der momentan der Erweiterungsbau des Basler Kunstmuseums entsteht. Ihre gemeinsame Tochter Miriam kommt 1950 zur Welt. Aeppli und Tinguely heiraten im Jahr darauf. 1952 beginnt Eva Aepplis langjährige, enge Freundschaft mit Daniel Spoerri, dem Aeppli und Tinguely 1953 nach Paris folgen. Nach einer ersten Zeit in bescheidenen Hotels beziehen sie bald ein Atelier in der Impasse Ronsin, einer Künstlerkolonie im Quartier Montparnasse, deren Doyen der rumänische Bildhauer Constantin Brâncuşi ist. Hier beginnt Eva Aepplis künstlerisches Werk mit Stoffbildern und Kohlezeichnungen, meist von Menschen, oft hageren Gestalten in düsterer Stimmung.
Aeppli trifft Yves Klein, François-Xavier und Claude Lalanne sowie Exponenten der sehr vitalen Pariser Kunstwelt wie die Galeristin Iris Clert, den Kritiker Pierre Restany oder den jungen schwedischen Kunsthistoriker Pontus Hultén. Sie hält sich aber grösstenteils der Kunstszene fern, während ihr Mann vollends in dieser aufgeht. 1955 lernt sie Niki de Saint Phalle und deren Mann Harry Mathews kennen, die zwei Ehepaare verbindet in der Folge eine enge Freundschaft. 1960 trennt sich Aeppli von Tinguely, der in den nächsten Jahren mit Niki de Saint Phalle lebt, und heiratet den amerikanischen Anwalt Samuel Mercer, mit dem sie zeitweise in Omaha/NE lebt.
Eva Aeppli, Impasse Rosin Paris, 1957; Foto: Hansjörg StoecklinIn der Zeit der Trennung von Jean Tinguely und in den folgenden Jahren entsteht Eva Aepplis zweiter Werkblock: Grossformatige Gemälde, Öl auf Leinwand, auf denen meist Köpfe in grosser Zahl dargestellt sind. Es sind einerseits Totenköpfe, Schädel und andererseits stilisierte Gesichter, manchmal sind noch weitere Skelettteile sichtbar, manchmal sind die Köpfe mit Blumen geschmückt. Die Bilder heissen Le Fleuve (Fluss), Minuit (Mitternacht), La Fête (Das Fest) oder Champ des Tulipes (Tulpenfeld), sie erinnern an morbide Darstellungen von Toten, an Fotografien von Leichenbergen, an Krieg und Konzentrationslager.
In der Mitte der 1960er Jahre entstehen die ersten textilen Plastiken, lebensgrosse Figuren mit eindrucksvollen Gesichtern und langen, dünnen Händen. La Table von 1967 (heute im Moderna Museet Stockholm) zeigt 13 Figuren an einem Tisch sitzend, eine Umsetzung des Abendmahls, ohne Heilsbringer allerdings. Reduzierter und dunkler ist die Gruppe von ebenfalls 13 Figuren mit dem Titel Hommage à Amnesty International (heute im Centre Georges Pompidou, Musée national d'art moderne, Paris), schwarz gekleidete Gestalten, deren Gesichter in stillem Leiden erstarrt sind. Des Weiteren kreiert Eva Aeppli Einzelfiguren, die in Fauteuils sitzend als stille Wächter der Welt fungieren. Eine intensive Auseinandersetzung mit der Astrologie, die ab 1975 in Zusammenarbeit mit dem Astro-Psychoanalytiker Jacques Berthon und dem Künstler Eric Leraille beginnt, führen zur Kreation verschiedener Figurengruppen, als erste Die zehn Planeten, die 1976 an der Biennale in Venedig gezeigt wurden. Nach der Biennale beschliesst die Künstlerin, die Köpfe der Zehn Planeten in Bronze giessen zu lassen. Die Hände verschenkt sie an Freunde, die Körper der Figuren werden zerstört. In der Folge entstehen weitere Gruppen von Köpfen aus feinem Stoff, die in Bronze gegossen werden, Astrologische Aspekte, Die zwölf Sternzeichen, Einige menschliche Schwächen und einige Weitere. Es sind Köpfe, deren Physiognomien tief empfundene Emotionen festhalten.
Trotz Aepplis Zurückhaltung erkennen Ausstellungsmacher die Intensität und Qualität ihres Werks und organisieren umfassende Retrospektiven, 1993 das Moderna Museet in Stockholm, Pontus Hultén 1994 in der Bundeskunsthalle in Bonn, André Kamber im selben Jahr im Kunstmuseum Solothurn. Eine letzte Werkgruppe entsteht 1990 und 1991. Es sind Skulpturen, die sie gemeinsam mit Jean Tinguely schafft, morbide Figuren wie die Hommage à Käthe Kollwitz (Kunstmuseum Solothurn) oder Erika (Privatbesitz). Diese Skulpturen wurden in der Basler Galerie Littmann gezeigt und sind zentrale Bestandteile der folgenden Retrospektiven. Auch mit anderen Künstlern, wie Jean-Pierre Raynaud oder Daniel Spoerri arbeitet Eva Aeppli zusammen. Das Museum Tinguely zeigte 2006 Les Livres de Vie (die Lebensbücher), 15 Bände, die Eva Aeppli seit 1954 geschaffen hat, und in die sie alles einklebte, das ihr wichtig erschien: Einladungen zu Ausstellungen, Fotos von Freunden, Briefe, Karten, Zeichnungen, kleine Notizen und grosse Dokumente aller Art bis zu Testamententwürfen. Les Livres de Vie bilden einen roten Faden durch ein Künstlerleben, das ansonsten von stetem Wechsel geprägt ist. Eva Aeppli hat die Bücher 2002 dem Kunstmuseum Solothurn geschenkt, nun sind sie erstmals der Öffentlichkeit zugänglich. Ebenfalls im Museum Tinguely waren 2008 sämtliche Bronzeköpfe der Künstlerin zu sehen, eine Schenkung ihres Bruders Christoph ans Museum. Die letzte grosse Ausstellung richtete ihr Freund Daniel Spoerri für sie in seinem Ausstellungshaus in Hadersdorf (Österreich) ein. Hier schloss sich ein Kreis, der von einer lebenslangen Freundschaft zeugte. Von einer jüngeren Freundschaft – aber einer nicht weniger innigen – getragen, erstellt die Kunsthistorikerin Susanne Gyger in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA) das elektronische Werkverzeichnis Eva Aepplis.
Seit 2012 ist es auf deren Website publiziert und öffentlich zugänglich.
Pressekontakt: Isabelle Beilfuss
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag: 11 – 18 Uhr
Sonderöffnungszeiten: Während ART Basel, 15. – 21. Juni: 9 bis 19 Uhr (auch am Montag)
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