Wie unterscheidet ein Computer Mensch von Maschine? Wie würde sich ein Computer mit einem Eigenleben verhalten? Und wie sieht es aus, wenn ich die Daten, die mein Browser in vier Monaten automatisch speichert, physisch darstelle?Seit den 1960er Jahren gibt es bereits das Genre der Digitalen Kunst, und doch ist es ein recht unbekanntes Feld. Grund dafür sind sicher auch die Herausforderungen, die diese Art von Arbeiten an Ausstellungshäuser stellt. Dennoch ist das Thema so aktuell wie kein zweites in der zeitgenössischen Kunst. Computer und Internet begleiten uns inzwischen täglich, die Generation der „Digital Natives“ ist mit den neuen Technologien aufgewachsen, diese sind für eine Mehrheit der Menschen zur zweiten Natur geworden. Wir verwenden sie wie selbstverständlich, wir sind in den sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter Zuhause und dank Smartphone auch überall und jederzeit damit verknüpft. Es ist selbstverständlich, dass wir über verschiedenste Dinge nicht mehr lange nachdenken müssen, sondern zum Handy greifen und Google oder Siri befragen.
Das Internet eignet sich aber nicht nur dazu, Emails zu versenden, Wikipedia zu durchstöbern oder lustige Katzenvideos auf YouTube anzusehen, sondern auch zur Kunstproduktion. Die in der Ausstellung gezeigten Künstler sind im Bereich der Digitalen Kunst äußerst renommiert und bereits mehrfach ausgezeichnet. Sie beschäftigen sich in ihrer Arbeit seit geraumer Zeit mit den zahllosen Möglichkeiten des Internets, der Technisierung des Alltags, dem Computer als Gegenstand und der sehr eigenen Ästhetik des Digitalen.
Aram Bartholl lebt und arbeitet in Berlin. Sein Werk bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Internet, Kultur und Realität. Die vielfältigen Kommunikationskanäle sind selbstverständlich geworden, doch wie beeinflussen uns diese? Gemäß des Paradigmenwechsels der Medienforschung fragt Bartholl nicht nur, was der Mensch mit den Medien macht, sondern auch in wie weit die Medien den Menschen verändern. Das Spannungsverhältnis von öffentlich und privat, online und offline, von Technologieverliebtheit und Alltagsleben liegt im Kern seines Schaffens. In Form von Interventionen und Installationen im öffentlichen Raum untersucht Bartholl die Wirkung, wenn Bestandteile der digitalen Welt mit der Realität zusammentreffen.
JODI ist ein Kollektiv zweier Internet-Künstler: Joan Heemskerk, 1968 geboren in Kaatsheuvel (NL), und Dirk Paesmans, geboren 1965 in Brüssel (BE). Paesmans studierte bei Nam June Paik an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf und gründete mit der Fotografin Heemskerk 1994 die Gruppe JODI. Ab Mitte der 1990er Jahre schufen sie bereits Kunst für das Netz, einige Jahre später arbeiteten sie ebenfalls im Bereich Software Kunst und künstlerischer Computerspiele- Modifikation. Ihre Art von Digitaler Kunst mit einer deutlichen Low-Tech-Ästhetik fällt in die Kategorie des so genannten „Hacktivism“: Im Gegensatz zu Hackern, die sichere Websites infiltrieren, um Informationen zu erlangen oder diese einfach nur zu stören, versuchen Künstler, durch ihre Aktivitäten eine Art öffentliches Bewusstsein zu wecken und festgefahrene Regeln zu hinterfragen. Sie nehmen Elemente der Computerwelt wie den Browser, den Desktop oder Spiele, und zerstörten sie förmlich. Dem Betrachter soll die Anfälligkeit der Maschine vor Augen geführt werden.
Evan Roth ist ein New Yorker Künstler, der in Paris lebt und arbeitet. Seine Kunst visualisiert und archiviert zeitgenössische Kultur durch den Einsatz moderner Technologien. Roth erschafft seine Kunst in unterschiedlichster Weise: er erstellt Drucke, Skulpturen, aber auch Videos und Webseiten, programmiert Software und realisiert Performance Kunst, die er durch Foto- und Videodokumentationen festhält. Dabei fließen verschiedenste Elemente in seine zumeist durchaus kritischen Arbeiten mit ein, von Street Art über die Erforschung des Verhältnisses zwischen Macht und Missbrauch sowie den Effekt, den das Gedankengut von Hackervereinigungen haben kann, wenn es auf digitale und nicht-digitale Systeme angewandt wird.
Gezeigt wird eine Auswahl dieser Künstler, die sich mit den verschiedensten Aspekten des „Neulands“ Internet auseinandersetzt. Den Besucher erwarten nicht nur Computer, Videos und Projektionen, sondern genauso Skulpturen, Fotos und Objekte. Browserkunst kann jederzeit im Netz betrachtet werden: Sie wird mittels Animationen, so genannten GIFs, realisiert oder durch die Kompromittierung vertrauter Seiten, die augenscheinlich verrücktspielen und ein vom User nicht kontrollierbares Eigenleben entwickeln. Wandobjekte verdeutlichen uns, wie Monitore, deren Formate und Einteilung in standardisierte Fenster sich im Laufe der Zeit verändern. Andere Werke zeigen, was der Computer und seine Programme automatisch für Unmengen an Informationen speichern, die in gewisser Weise Abbilder unserer digitalen Identität sind. Auch die Gefahren durch Sicherheitslücken werden auf humoristische Weise aufgezeigt: Setzen Sie sich an einen Tisch, auf dem acht Büchern mit gehackten Passwörtern stehen, und finden Sie heraus, ob Ihres dabei ist!