Eine Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) zeigt mit zwölf japanischen und westlichen Stellschirmen vom 17. bis 20. Jahrhundert den Bedeutungswandel des Stellschirms, der nicht nur Möbel, sondern auch immer ein Bildträger ist. Der ursprünglich aus China stammende Stellschirm erhält in Japan eine ganz eigene Bedeutung und Gestalt. Das traditionelle japanische Haus hat nur wenige feste Wände und Möbel. Man sitzt auf tatami, den mit Reisstroh gefüllten Binsenmatten. Bemalte Stellschirme (byōbu) und Schiebetüren (fusuma) sind ein flexibler Raumtrenner und Sichtschutz. Wörtlich heißt byōbu: „Wand gegen den Wind“.Der früheste, heute in Japan noch erhaltene Stellschirm stammt aus dem 8. Jahrhundert und befindet sich im kaiserlichen Schatzhaus Shōsō-in in Nara. Für die folgenden 300 Jahre zeugen nur gemalte Bildrollen vom Gebrauch der Stellschirme, die in weltlichem wie buddhistischem Kontext beliebt waren. In den Burgpalästen des Kriegeradels sind sie Symbol für Macht und Reichtum ihrer Besitzer. In den Abtwohnungen der Zen-Tempel bilden sie ein kontemplativ-poetisches Raumelement und zugleich den würdigen Prospekt für die Respektsperson. Wohlhabende Bürger umgeben sich mit Wandschirmen, die das städtische Leben, Feste und Vergnügen zum Thema haben. Ein künstlerischer Wendepunkt ergibt sich durch die Erfindung von Scharnieren aus Papier. Die einzelnen Paneele bilden nun ein zusammenhängendes Bild. Auch die Einführung paarweise aufgestellter Schirme mit übergreifenden Kompositionen und die Neuerung von Malerei auf Goldfolie führen zu imposanten Darstellungen voll Dynamik und Raffinement. Sie folgen einem bestimmten Kompositionsprinzip: Es besteht in einer offenen Mitte und einer jeweils nach außen sich abschließenden Szenerie. Die Darstellung ist stets von rechts nach links zu „lesen“. Die Künstler des Jugendstils und des Art déco lassen sich von den japanischen Stellschirmen zu eigenen Schöpfungen inspirieren. Der Paravent wird zum exotischen Einrichtungsgegen- stand. Das bleibende Interesse an diesem Format ist an Werken von Marc Chagall oder Jim Dine zu sehen.
Die Malerei auf StellschirmenFür die Malerei auf Stellschirmen lassen sich grundsätzlich zwei Malrichtungen unterscheiden. Die eine folgt dem chinesischen Vorbild und die andere dem japanischen Stil. Die chinesische Maltradition (kanga) ist überwiegend in monochromer Tusche ausgeführt. Quelle ihrer Themen und Landschaften ist China. Pflanzen wie Bambus oder Kiefern und Tiere, wie Drache, Phönix oder Raubvögel werden seit dem 16. Jahrhundert zu beliebten Symbolen für Macht und Stärke. Vertreter des chinesischen Malstils ist die Kanō-Schule in Edo (heute Tōkyō), die für den Kriegeradel arbeitete. Die japanische Maltradition (yamato-e) besteht in bunten, opaken Mineralfarben, einer detailreichen Ausführung, kulissenartigen Bildelementen und japanbezogenen Themen. Auf diesen Stil hatten sich die Maler der Tosa-Schule in Kyōto spezialisiert, die im Auftrag des Kaiserhauses tätig waren. Neben den Tosa-Malern trat eine weitere Japan bezogene Malrichtung hervor: die Rimpa-Schule in Kyōto. Ihr von Abstraktion, Flächigkeit und kühnen kontrastreichen Kompositionen bestimmter Malstil wurde berühmt und fand vor allem in der kaiserlichen Familie Zuspruch. Schließlich entwickelte sich in der Momoyama-Periode (1573-1615) eine Malerei, die den Bedürfnissen des wohlhabenden
Bürgertums entsprach. Sie stellt das Leben der Städter und Volksfeste dar. Ausgeführt wurde sie von anonymen Stadtmalern, die sich an dem japanischen Malstil der Tosa-Schule orientierten. Die beschriebenen Malrichtungen sind alle in der Ausstellung vertreten.
Der westliche StellschirmDer Stellschirm kam erstmalig im späten 16. Jahrhundert mit den portugiesischen Handelsschiffen von China und Japan nach Europa. Das war noch nicht der leichte japanische Typ aus Papier, sondern der schwere aus lackiertem Holz. Große, oft acht- bis zehnteilige Schirme aus Lack wurden ein begehrter Exportartikel Ostasiens. Um den Bedarf zu decken, entstehen in Europa Paravents im chinesischen Stil, denn im 18. Jahrhundert ist der Faltschirm ein beliebtes Möbel im Salon. Reliefgeprägte und bemalte Ledertapeten werden nun auch für Stellschirme verwendet. Das Interesse am Stellschirm verliert sich und wird erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert wiederbelebt. In England ist es die gegen die Industrialisierung gerichtete Arts and Crafts Bewegung, die dem Stellschirm neue Beachtung schenkt. In Frankreich und Amerika hingegen entdecken Künstler wie Camille Corot (1796-1875), Paul Cézanne (1839-1906) oder James McNeill Whistler (1834-1903) den Paravent als Kunstwerk. Entscheidend dafür ist die Öffnung Japans in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wodurch große Mengen an japanischen Stellschirmen in den Westen gelangen. Der Paravent als gefaltetes Bild beschäftigt zahlreiche Maler wie Pierre Bonnard (1867-1947) oder Edouard Vuillard (1868-1940). Im Jugendstil und im Art Déco geht die Neubewertung des Stellschirms auch auf den Japaneinfluss zurück. Der Hamburger Georg Hulbe (1851-1917) greift dabei die einstige Bedeutung des Leders wieder auf. Und die Art déco Künstler Eileen Gray (1878-1976) oder Jean Dunand (1877-1942) erlernen die japanische Lacktechnik und schaffen moderne Versionen. Der Stellschirm hat bis heute als künstlerisches Medium wie als Designobjekt nichts an Anziehung verloren.