In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs fliehen Millionen Deutsche aus den Gebieten Ostpreußen, Pommern, Brandenburg und Schlesien in den Westen. Viele versuchen mit Schiffen über die Ostsee nach Kiel, Lübeck oder Dänemark zu gelangen. Doch nicht alle erreichen ihr Ziel. Schätzungsweise 40.000 Menschen sterben auf der Überfahrt, weil ihre Transportschiffe durch Luftangriffe oder Torpedos versenkt werden. Die meisten Menschenleben fordert der Untergang der „Wilhelm Gustloff“. Einst als Unterhaltungsdampfer für die nationalsozialistische Organisation „Kraft durch Freude“ gebaut, soll sie am 30. Januar 1945 mehr als 10.000 Flüchtlinge, Soldaten und Marinehelferinnen nach Kiel bringen. Doch nur wenige Stunden nach dem Auslaufen aus Gotenhafen wird das Schiff von drei Torpedos des sowjetischen U-Boots S-13 getroffen und sinkt. Etwa 9.000 Menschen finden den Tod in der eiskalten Ostsee – die meisten von ihnen Frauen und Kinder.Die Ausstellung „War eigentlich ein schönes Schiff“ ist in Zusammenarbeit mit der Städtischen Galerie in Danzig entstanden und zeigt im ersten Teil, wie Günter Grass dieses Ereignis in seinem 2002 erschienenen Novelle „Im Krebsgang“ verarbeitet. Sie geht den literarischen Vorläufern im Gesamtwerk des Autors nach und beleuchtet die Entwicklungsgeschichte des Werks. Auf einem Hörpfad wandern die Besucher durch das literarische Oeuvre des Nobelpreisträgers und erfahren, in welcher Form das Thema „Flucht und Vertreibung“ bereits in seinen früheren Werken auftaucht. Das Originalmanuskript in verschiedenen Stadien sowie zahlreiche Recherchematerialien geben Einblick, wie die Novelle vom ersten Entwurf bis zur druckfertigen Version entstanden ist. Kritiken und Reaktionen aus Deutschland sowie aus Polen, Russland und Schweden zeigen, wie „Im Krebsgang“ in den verschiedenen Ländern aufgenommen wurde und wird.
Der zweite Teil der Schau präsentiert Reflexionen über den Untergang der „Wilhelm Gustloff“ von zeitgenössischen Künstlern aus Polen, Russland, Deutschland und Schweden. Die Versenkung dieses und anderer Schiffe während des Zweiten Weltkriegs, die heute als Seekriegsgräber und Denkmäler tief unter der Meeresoberfläche liegen, wird in den jeweiligen Ländern sehr unterschiedlich betrachtet und bewertet. Die Arbeiten von Magnus Petersson, Jonas Dahm, Jörg Herold, Evgieni Umanski, Anna Steller und Hubert Czerepok beleuchten diese verschiedenen Blickwinkel der Nachbarländer und die unterschiedliche symbolische Bedeutung, die das Ereignis dort hat, von einem künstlerischen Standpunkt aus. Die von Iwona Bigos, Tatjana Dübbel und Martin Schibli kuratierte Ausstellung will so in einem weiteren Kontext auch neue Perspektiven für eine gemeinsame Zukunft öffnen.
Ausstellungseröffnung am 29.1.2015 um 19 Uhr in der St. Jakobi Kirche zu Lübeck mit den beteiligten Künstlern und Günter Grass. Anschließend Empfang im Günter Grass-Haus.