Der Industrialisierungs- und Demokratisierungsprozess in Wien um 1900 bot den Rahmen für die Ideen von Hoffmann und Loos, die mit einem „schöpferischen“ und einem „ökonomischen“ Weg zwei erfolgreiche Ansätze für die zunehmend bedeutende, individuelle Identität der KonsumentInnen boten. Hoffmann interpretierte Architektur und Design als künstlerische Projekte, Loos dagegen verstand Kunst als einen autono- men Bereich, der nichts mit der Herstellung alltäglicher Bauten und Gebrauchsgegen- stände zu tun hat. Hoffmann wollte moderne Kunst liefern, Loos moderne Kultur schaffen.
Der Industrialisierungs- und Demokratisierungsprozess in Wien um 1900 bot den Rahmen für die Ideen von Hoffmann und Loos, die mit einem „schöpferischen“ und einem „ökonomischen“ Weg zwei erfolgreiche Ansätze für die zunehmend bedeutende, individuelle Identität der KonsumentInnen boten. Hoffmann interpretierte Architektur und Design als künstlerische Projekte, Loos dagegen verstand Kunst als einen autono- men Bereich, der nichts mit der Herstellung alltäglicher Bauten und Gebrauchsgegen- stände zu tun hat. Hoffmann wollte moderne Kunst liefern, Loos moderne Kultur schaffen.
Josef Hoffmann glaubte an die Kraft des Ästhetischen und generierte künstlerisch komplett durchkomponierte, handwerklich gefertigte Umwelten in Architektur und Gebrauchsgegenständen. Adolf Loos hingegen fühlte sich evolutionären und emanzipa- torischen Prinzipien verpflichtet und sah die Aufgabe von Architektur und Design da- rin, einen nachhaltigen und unaufdringlichen Hintergrund für die Entfaltung von Indi- vidualität herzustellen. Bewährte Typen von Gebrauchsgegenständen und Architektur, die keiner künstlerischen Neugestaltung bedürfen, waren dafür aus seiner Sicht am besten geeignet. Ihren Erfolg verdankten Hoffmann und Loos dem künstlerisch- intellektuellen Milieu der Großstadtkultur Wiens um 1900 und einer kongenialen Sy- nergie: Kulturell aufgeschlossene und wirtschaftlich potente, neue Gesellschaftsschich- ten trafen auf eine junge, avantgardistische und international gut vernetzte Künst- lerInnenschaft.
Die Œuvres von Hoffmann und Loos avancierten in diesem Umfeld zu einflussreichen Beiträgen zur international heftig geführten Debatte über die „richtige“ Ausrichtung der modernen Bewegung. Die Wiener Secession lud prominente englische, französi- sche, deutsche und belgische KünstlerInnen zu ihren Ausstellungen ein, Hoffmann errichtete mit dem Palais Stoclet (1905–1911) in Brüssel gemeinsam mit der Wiener Werkstätte eines der Hauptwerke der internationalen Art-Nouveau-Bewegung. Adolf Loos lebte drei Jahre lang in den USA und brachte von dort ein völlig neues Bild mo- derner Kultur nach Wien, das er in polemischen Zeitungsartikeln verbreitete und im berühmten Looshaus (1910–1911) am Michaelerplatz demonstrierte. Seine brillanten Schriften werden noch heute als „Altes Testament“ der Moderne gelesen und geschätzt.
AusstellungskonzeptDie Ausstellung WEGE DER MODERNE. Josef Hoffmann, Adolf Loos und die Folgen zeigt in fünf Kapiteln, wie es am Weg zur Entfaltung des Individuums zu diesen erfolg- reichen modernen Zivilisationstheorien und Lebensweisen kam und wie sie bis in die Gegenwart weiterwirken. Mit einer Auswahl von Schlüsselwerken an Bauten, Einrichtungen, Gebrauchsgegen- ständen und Schriften wird im ersten Ausstellungskapitel Neue Konsumwelten darge- stellt, auf welchen Leistungen ihrer Vorgänger die Künstler der von Josef Hoffmann mitbegründeten Wiener Secession und ihr Antipode Adolf Loos aufbauten. Beispielhaft wird hier unter anderem die Arbeit des Architekten Theophil von Hansen für Erzherzog Leopold in Schloss Hernstein (1870er Jahre) gezeigt. Im Fokus dieses einleitenden Ausstellungssegments stehen die Reaktionen von ArchitektInnen auf die von der In- dustrialisierung ausgelöste Krise des Kunstgewerbes und die Entwicklung einer genuin modernen Formensprache.
Das zweite Kapitel der Ausstellung Otto Wagner ist zur Gänze dem „Vater der Wiener Moderne“ gewidmet. Die Essenz von Wagners Entwurfsstrategie wird anhand einer Auswahl seiner wesentlichsten Werke vor Augen geführt, darunter die Rekonstruktion der Fassade und der Ausstattung für das Depeschenbüro „Die Zeit“ (1902), zahlreiche Originalmöbel und Entwurfszeichnungen für seine wichtigsten Bauten. Wege der Moderne lenkt den Blick auf Wagners richtungsweisende Leistung, fast alle Bautypen der modernen Großstadt, als Ausdruck des modernen Lebensstils, erstmals für Wien prototypisch definiert zu haben.
Moderne Lebensweisen, das dritte und zentrale Kapitel in der großen MAK-Ausstellungshalle, ist dem Höhepunkt der Wiener Moderne in den Jahren zwi- schen der Gründung der Secession 1897 und der Vollendung der Hauptwerke um 1910 gewidmet. Ausgehend von durchaus noch ähnlichen frühen Lösungsansätzen von Hoffmann und Loos werden in Rekonstruktionen und Modellen ihre schon bald gegen- sätzlichen Interpretationen wichtiger Bauaufgaben einander gegenübergestellt. Dazu gehören Einzelmöbel ebenso wie das moderne Stadthaus in Form des Wohn- und Ge- schäftshauses Looshaus (Wien, 1910–1911) sowie das vom Bankier Adolphe Stoclet in Auftrag gegebene und von Hoffmann erbaute Wohnpalais Palais Stoclet (Brüssel, 1905–1911).
Erstmals werden in diesem Ausstellungsbereich Rekonstruktionen zweier fast gleich- zeitig entstandener Innenräume verglichen. Sie präsentieren beispielhaft die unter- schiedlichen Grundhaltungen der Antipoden: Im Schlafzimmer der von Josef Hoff- mann gestalteten Wohnung Salzer (Wien, 1902) sind alle Objekte in einem strengen Quadrat-Ornamentsystem geordnet. Im Schlafzimmer in Loos‘ eigener Wohnung (Wien, 1903) schafft dagegen die dominant haptische Ästhetik von Wandvorhängen und Teppichen, die nicht von ihm gestaltet wurden, eine intime Atmosphäre.
Beispielhaft für die Parallelwelten der beiden Wege der Moderne stehen hier auch die erstmals einander gegenübergestellten Porträts einiger BauherrInnen von Wiener Se- cession und Adolf Loos. Gustav Klimts Bildnis von Gertrud Loew (verh. Eisler von Terramare, verh. Felsöványí, 1902) steht exemplarisch für die secessionistische Positi- on, während Oskar Kokoschkas Bildnis von Fred Goldman (Kind mit den Händen der Eltern, 1909) oder sein Ölgemälde Alter Mann (Vater Hirsch, 1909) psychologisch ak- zentuiert die Bauherren von Adolf Loos in Szene setzen.
Das vierte Kapitel Neue Wiener Wege beleuchtet das inspirierende Potenzial von Josef Hoffmanns ästhetizistischer Haltung und Adolf Loos‘ evolutionär-emanzipatorischer Strategie. Eine neue ArchitektInnengeneration ließ schon ab 1910 weitere Wege der Moderne entstehen, die auf Hoffmann und Loos aufbauten. Sie entwickelte entweder Synthesen aus deren Ansätzen oder setzte radikal auf die industrielle und kollektivisti- sche Karte. Die konträren Positionen von Secession und Adolf Loos werden durch Rekonstruktionen des opulenten Boudoir d’une grande vedette, Hoffmanns Beitrag 1937 auf der Weltausstellung in Paris, und Margarete Schütte-Lihotzkys Wohnung der berufstätigen alleinstehenden Frau (1927–1928) illustriert. Die neuen, human und sozial geprägten Ansätze verdeutlichen Arbeiten von Oskar Strnad und Josef Frank. Die international orientierte österreichische Avantgarde ist mit Ernst Plischke und dem Wiener Büro Singer & Dicker vertreten.
Das fünfte Kapitel der Ausstellung Ressourcen zeigt das Fortwirken der Denkweisen von Hoffmann und Loos nach 1945. Einem Abschnitt über die Wiederentdeckung der beiden Pioniere der Moderne in den 1960er Jahren folgt eine Demonstration der Ver- selbständigung und Verfügbarkeit von Formen und Ideen der Wiener Moderne in der nunmehr etablierten Konsumgesellschaft. Die Postmoderne der 1970er und 1980er Jahre experimentierte intensiv damit – dies belegen unter anderem Werke von Hans Hollein und Hermann Czech. Die gegenwärtige Architekturproduktion setzt hingegen wieder vermehrt auf den ökonomisch-emanzipatorischen Weg der Moderne, wie in aktuellen Ready-made-Konzepten etwa von Lacaton & Vassal (Paris), von Loos gepräg- ten Raumplan-Strategien von Werner Neuwirth (Wien) und Selbstbefähigungsprojek- ten unter anderem von Anna Heringer (Laufen, DE) deutlich sichtbar wird.
Zur Ausstellung erscheint der Katalog WEGE DER MODERNE. Josef Hoffmann, Adolf Loos und die Folgen, Hg. Christoph Thun-Hohenstein, Matthias Boeckl und Christian Witt-Dörring, Deutsch/Englisch, mit zahlreichen Beiträgen internationaler ExpertIn- nen, 336 Seiten; MAK Wien/Birkhäuser Verlag, Basel 2015. Erhältlich im MAK Design Shop und unter MAKdesignshop.at um € 39,60.
Öffnungszeiten
Di 10:00–22:00 Uhr, Mi–So 10:00–18:00 UhrJeden Dienstag 18:00–22:00 Uhr Eintritt frei
Eintritt€ 7,90 / ermäßigt € 5,50 Eintritt frei für Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre
Jeden Dienstag 18:00–22:00 Uhr Eintritt frei
Familienkarte € 11 (2 Erwachsene + mind. 1 Kind bis zum 14. Lebensjahr)
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