Bei VAN HAM wird am 16. November 2012 in der Auktion „Alte Kunst“ ein Werk Adolph von Menzels zum Aufruf kommen, das eine bewegte Geschichte dokumentiert. Es stammt aus der berühmten Sammlung Sommerguth, die während des Naziregimes zwangsversteigert wurde. Über 70 Jahre später zeigt sich die Bedeutung einer offenen Zusammenarbeit zwischen Auktionshäusern mit Restitutionsforschern.Menzels „Blick aus dem Atelierfenster in der Marienstraße“, entstanden um 1862, war einst Teil der bedeutenden Sammlung des jüdischen Ehepaars Alfred und Gertrud Sommerguth. Alfred Sommerguth hatte als Bauoberregierungsrat und Direktor der Tabakfabrik Loeser & Wolf ein beachtliches Vermögen aufgebaut. Viele der hochwertigen Kunstwerke erwarb das Sammlerpaar direkt von den Künstlern. Das Menzel-Aquarell stammte aus dem Besitz von Anna Ottilie Krigar- Menzel, der Großnichte des Malers, welcher neben Johannes Brahms auch Ihr Taufpate war. 1939 mussten die Sommerguths unter Druck des Naziregimes ihre Sammlung von über 150 Werken, darunter Arbeiten von Liebermann und Pissaro, in Zwangsversteigerungen im berühmt-berüchtigten Auktionshaus Lange in Berlin verkaufen – der Verkaufserlös wurde zur Begleichung der sogenannten Judensteuer einbehalten. Für die Arbeiten Menzels veranstaltete Lange eine Auktion am 7. Februar 1939, in welcher der „Blick aus dem Atelierfenster“ unter der Losnummer 25 aufgerufen und verkauft wurde.
Als die Sommerguths 1940 auch noch ihre Bürgerrechte verloren und ihr gesamtes Vermögen konfisziert wurde, flohen sie 1941 über Portugal und Kuba nach New York. Neun Jahre nach der Auswanderung starb Alfred Sommerguth verarmt im Exil, seine Frau folgte ihm vier Jahre später.
Dass diese Geschichte nicht mit dem Tod der Eheleute endet, ist der professionellen und intensiven Forschungsarbeit VAN HAMs und Muggenthaler Research zu verdanken, deren Leiterin Cornelia Muggenthaler zusammen mit dem Rechtsanwalt Joel Levi die Erben der Familie Sommerguth in dieser Angelegenheit vertritt und betreut. Eine stattliche Anzahl von Gemälden aus dieser exzeptionellen Sammlung konnte bereits identifiziert und restituiert werden.
Da das Menzel Aquarell in der Datenbank von Lost Art aufgeführt war, hat VAN HAM Kontakt mit Muggenthaler Reaserch aufgenommen. Dank der Vermittlung von VAN HAM konnten sich alle beteiligen Parteien auf eine Restitution einigen. Somit gelangt eine weitere Arbeit der legendären Sammlung Sommerguth an die Öffentlichkeit. Gleichzeit konnte Alfred und Gertrud Sommerguth, respektive deren Erben, ein Teil des Unrechts, dass diesen Sammlern widerfahren ist, wieder gutgemacht werden. Das verschollene Werk Adolph von Menzels wurde ebenfalls der Expertin Dr. Marie Ursula Riemann-Reyher in Berlin vorgestellt, die uns freundlicherweise ebenfalls die Provenienz und Authentizität bestätigte.
Die kleine, intime Studie Menzels zeigt einen Ausschnitt der Sicht aus Menzels Atelierfenster. Die teils flüchtigen, mit sicherer Hand gesetzten, in- und übereinander gelagerten, farbigen Striche im Zentrum der Komposition zeigen einen Baum, der den Blick Richtung Marienstrasse, die hinter dem mit schwarzen Strichen angedeuteten Zaun am unteren Bildrand liegt, verstellt. Für die durchaus ungewöhnliche Farbstudie finden sich kaum Vergleiche im Werk Menzels. Sie erscheint im Kontext zweier Ansichten aus Menzels Atelierfenster, die in den späten 1860er Jahren entstanden sind (Vgl. Tschudi, Nr. 562 und 563). Die erstgenannte Arbeit wurde 2006 bei Sotheby’s verkauft.
Der Vergleich mit anderen Farbskizzen lässt das Blatt frei von detaillierter Durcharbeitung, ohne direkten Auftraggeber mit einem sehr persönlichen Bezug erscheinen
. Wir erkennen in der freien, in seiner Zeit überaus modernen Arbeit vieles, was uns Menzel in Auftragswerken vorenthält: eine Hinwendung zur realistischen Naturdarstellung. Mit dieser Erkenntnis erscheint das Blatt als eine Hommage an die große Schule von Barbizon und Ihre Ideale, was kurz vor Ausbruch des deutsch-französischen Krieges keineswegs gängiger Kunstanschauung entsprach.
Prominentestes Beispiel für eine von Markus Eisenbeis äußerst erfolgreich initiierte Restitution ist Ernst Ludwig Kirchners Gemälde „Drei Akte im Wald“, welches 2009 für 1,1 Mio. Euro bei VAN HAM versteigert wurde. Durch das Engagement VAN HAMs für den offenen und transparenten Umgang mit Beutekunst gelang eine späte Wiedergutmachung für die Erben dieses Kunstwerkes.
Weitere InformationenVan Ham Kunstauktionen, gegründet 1959, ist ein Familienunternehmen, das in zweiter Generation von Markus Eisenbeis als pers. haft. Gesellschafter geleitet wird. Van Ham Kunstauktionen gehört zu den führenden Auktionshäusern in Deutschland, das ca. 12 international beachtete Auktionen jährlich durchführt, in denen regelmäßig neue Auktionsweltrekorde aufgestellt werden.
Die Auktionen teilen sich in folgende Themen auf: Alte Kunst | Europ. Kunstgewerbe & Schmuck | Moderne Kunst | Zeitgenössische Kunst | Photographie | Teppiche | Dekorative Kunst