Ist es schon Kunst, oder ist es noch Design? Die Frage stellt sich oft bei modernen Auktionsobjekten in der Design-Sparte des Dorotheum. Vielleicht ist die Frage gar nicht zu beantworten mit einem „entweder - oder“, sondern mit einem „sowohl - als auch“. Tatsache ist, dass am 7. November 2013 rund 350 Werke der Designgeschichte von 1900 bis heute im Wiener Palais Dorotheum versteigert werden, bei denen die Kriterien von Kunst und Design wunderbar zutreffen.Malerei zum Sitzen verspricht Ron Arads Sessel „New Orleans“. Zu Pollock-mäßig habe er seine Serie zwar nicht anlegen wollen, meint der Designer, „aber die Farbe tropfte verlockend wie Honig“. Aus seinem mit Sitzmulde versehenen geschwungenen „Big Easy“-Sesselentwurf, längst ein Klassiker, ließ Arad die 18-teilige Serie hervorgehen. Die Dorotheum-Variante ist zwischen 50.000 und 70.000 Euro bewertet.
Wild geht es auch wo anders zu. Ingo Maurer sublimiert einen kreativen Wutausbruch zu einem fast comic-haften Lichtobjekt: „Porca Miseria“. Dieser italienische Fluch, den man ausstößt, wenn einem zum Beispiel eine volle Porzellankiste aus der Hand rutscht und am Boden in 1000 Stücke zerschellt, ist Namensgeber für den Luster (€ 15.000 – 25.000).
Surrealismus zum Wohnen, das intendierten 1965 die italienischen Designer De Sanctis und Sterpini, deren bizarres Gelo-Mare-Sideboard, nun im Dorotheum zu ersteigern, selbst Großmeister André Breton dazu verleitete, es „eines der Weltwunder von heute“ zu nennen. Das Möbel steht auf Vogelklauen, hat mit Rosetten besetzte Fiat-600-Türen samt Schiebefenster. „Unsere Möbel sind keine Gegenstände, sondern Personen“ sagten De Sanctis/Serpini, ganz gerüstet im Kampf gegen die (damalige) Standard-Wohnkultur (€ 15.000 – 18.000).
Ein nicht gerade Standard-Möbel stammt aus der Hand der Künstlerin Dadamaino: Kinetische Kunst als Regalobjekt entwarf die Italienerin in ihren optisch-dynamischen Objekten. Beim „Pannello Dinamico“ aus den 1970er Jahren ist jedes Element beweglich, mit Reminiszenzen an die Op-Art (€ 35.000 – 45.000).
Von der antiken Azteken-Kunst inspiriert ist die komplette Serie von „Short Stories 2003“, 14 Keramiken und Glasobjekte, die von Ettore Sottsass in einer Edition von 33 entworfen wurde. Jedes der Stücke, zwischen 15 und 63 Zentimeter hoch, hat einen individuellen Namen: Cuculo, Pettirosso, Civetta, Marabu … (€ 50.000 – 55.000).
Frühe Beispiele der Design-Geschichte finden sich ebenfalls in der Auktion, darunter einige Arbeiten von Adolf Loos, etwa eine Dodekaeder-Hängelampe, Wien um 1900/1905 (€ 32.000 – 38.000), oder ein Knieschwimmer-Sessel (€ 20.000 – 30.000).Eine absolute Rarität stellt der frühe Bugholz-Stuhl von Michael Thonet dar, ein Museumsstück. Er stammt aus den 1850er Jahren, wurde 1859 erstmals als Mod. Nr. 13 in das Thonet-Programm aufgenommen und auf der Weltausstellung 1862 in Paris präsentiert. Das Besondere daran: Die Vorderbeine dieses Stuhls sind nicht geschraubt oder gesteckt, sondern entwickeln sich als integraler Teil der Konstruktion aus zwei Bugstücken, die nach oben laufen und in den Sitzrahmen übergehen (€ 13.000 – 16.000).
Wunderbar zeitgenössisch wie analog interpretiert das junge österreichische Trio breadedEscalope (dt. Wiener Schnitzel) die Bugholztradition, in der Auktion vertreten durch den „Winterthurer Sessel“ (€ 2.000 – 3.000).
Osvaldo Borsani, Arne Jacobsen, Le Corbusier, Carl Auböck und viele andere mehr sind weitere große Namen bei dem Dorotheum-Design-Highlight im November.