So die Portugiesen, die Engländer und die Holländer. Im späten Edo-Shogunat erarbeiteten sich auch die Deutschen eine hervorragende Stellung in Japan. Seit dem 17. Jh. waren vereinzelt deutsche Persönlichkeiten in Japan tätig, dies für die Niederländische Ostasien-Kompanie, die in der Nähe von Nagasaki auf einer streng abgeschotteten Insel arbeiteten. Berühmt wurde Philipp Franz von Siebold (1796–1866), der als Forscher und Vater der Japanologie auch eine umfangreiche Sammlung aufbaute, die sich heute in verschiedenen Museen Europas erhalten hat. Misstrauisch wurden Siebolds Gastgeber allerdings, als er verbotenerweise japanisches Kartenmaterial zu sammeln begann. Der Forscher wurde mit Frau und Kind des Landes verwiesen und durfte erst 1859 erneut einreisen. In den 1850er-Jahren änderte sich viel.
Die USA erzwangen im Juli 1853 diplomatische Beziehungen in dem sie vor Tokyo mit vier schwarzen Schlachtschiffen auftauchten. Mit ihrer Kanonenboot-Politik setzten sie das schwache Shogun-Regime unter Druck. Auch andere Länder konnten nun Abkommen wie die USA abschliessen. Das brachte Japan wieder zurück auf die Weltbühne. 1868 war Schluss mit den Tokugawa-Shogunen. Ein Umsturz «von oben» brachte den Tenno wieder an die Macht, das Zeitalter des Meiji begann. Der erst 16-jährige Kaiser Mutsuhito, der Ururgrossvater des heutigen Kaisers, bzw. dessen Entourage, entmachte und enteignete weitgehend die bisherigen Landesfürsten, die sich aus den alten Samurai-Dynastien rekrutierten. Die Modernisierung des feudalistischen und rückständigen Landes nahm nun einen schnellen Verlauf. Für initiative Japaner und clevere Zuwanderer begannen goldene Zeiten. Unter den Ausländern gab es viele deutsche Berater bis in die Umgebung des Tennos, die die Verwestlichung des Landes forcierten. Unter ihnen befand sich seit 1856 auch der Preusse Heinrich Friedrich Schoene (1838–1896).
Der noch nicht zwanzigjährige Sohn eines Chirurgen und Arztes, der auch im bis 1848 preussischen Neuenburg tätig war, verkehrte bald einmal in den besten japanischen Kreisen. So kam es um 1885 zur Heirat mit der 1858 geborenen Tori Tanabe, der Tochter eines der 1868 entmachteten Lehensfürsten (Daimyo) unter den Shogunen. Toris Familie regierte über ein grösseres Gebiet auf der Halbinsel Kii. Ihr Clan gehörte als Seitenzweig zur grossen Tokugawa-Dynastie. Selbstredend, dass eine so vornehme Braut standesgemäss ausgestattet werden musste. Ihrem trotz Umstürzen immer noch hochadeligen Status entsprechend erhielt Tori Tanabe von ihren Eltern in grosser Menge alles was zu einem fürstlichen Haushalt gehörte: Keramiken für die Teezeremonie und Ikebana, eine Daimyo-Uhr, lebensgrosse buddhistische Figuren, zahlreiche Kimonos für die Hausherrin und das Personal, viele Kleinmöbel, Lack-Arbeiten aller Art, Bildrollen, Holzschnittbücher, Schreibkästen, Räucherwerk und zahlreiche weitere Artikel des täglichen Bedarfs. Dazu, besonders interessant, ein Kartenspiel mit Gedichten und ein Transportrohr mit dem Tokugawa-Wappen. Wohnsitz nahm das junge Paar in Yokohama, damals eine aufstrebende Handelsmetropole mit vielen ausländischen Firmen und Bewohnern. Drei Kinder wurden dem Paar geboren: Henri, Anna und Jean. Durch den frühen Tod beider Elternteile, Heinrich starb mit 58 Jahren anfangs 1896 und 1897 folgte ihm die noch nicht vierzigjährige Tori, wurden die Kinder Vollwaisen und kamen in die Schweiz. In welcher Umgebung sie nun lebten ist nicht bekannt. Tochter Anna kam später zur Ausbildung in ein Pensionat nach Neuenburg, kehrte aber danach wieder nach Japan zurück. 1917 heiratete sie einen in Paris geborenen und seit 1906 in Yokohama wohnhaften Auslandschweizer. Das Paar lebte auf einem schönen Besitz in der Handelsmetropole. 1923 zerstörte ein verheerendes Erdbeben die grosse, im «west-östlichen Stil» gebaute Villa. Der Erste Weltkrieg und die unruhigen Zwischenkriegsjahre veranlassten eine Übersiedlung der Familie in die USA.
In den 1960er-Jahren kam es zum Umzug von Amerika in die Schweiz an den Neuenburgersee. Mit dabei stets unzählige Transportkisten voller Aussteuerstücke der japanischen Grossmutter Tori Tanabe. Zwar ist der Brautschatz der Adeligen schon dezimiert worden. Erbteilungen unter den Kindern, das Erdbeben in Yokohama, Plünderungen in den Transportlagern setzten dem Bestand zu. Nach dem Tod von Toris Tochter Anna kam der japanische Trossel, der sich teils immer noch unausgepackt in den alten Transportkisten befand, an deren Tochter, die Enkel und Urenkel. Diese leben heute noch mit Freude in schönster west-östlicher Symbiose mit ihrer japanischen Vergangenheit. Die Familie hat sich nun aber doch entschlossen ihren immer noch grossen Japan-Bestand zu reduzieren. So kommen im Auktionshaus Zofingen diesen Herbst 35 interessante Objekte aus der späten Edo-Zeit sowie aus dem Tokugawa/Tanabe-Clan zum Ausruf, die nach einer wechselvollen, gut dokumentierten Geschichte eine neue Heimat suchen. Das Auktionsgut ist ein interessanter Querschnitt durch den einstigen Brautschatz. Darunter findet sich Porzellan, Bronzen, feine Cloisonné-Vasen, Kimono-Gürtel, Konvolute mit japanischen Märchenbüchern, ein Frauendolch, mehrere mittelalterliche Waffen, und vieles mehr.
Markus F. Rubli Auktionshaus Zofingen, Auktion 13.–16. November 2019 (Vorschau xx.–xx.), Klösterligasse 4, 4800 Zofingen, www.auktionshaus-zofingen.ch
Möchten Sie mehr über die Geschichte Japans wissen? Das reich illustrierte Buch «Geschichte Japans» von Christine Liew, 184 Seiten, Theiss-Verlag (ca. Fr. 15.-) informiert Sie umfassend. Im Buchhandel erhältlich.
Autor Markus Rubli, Herkunft Sammler-Anzeiger 9/19 Schweiz
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