LONDON. Der sogenannte Hope-Spinell, der am 24. September 2015 bei Bonhams in der New Bond Street zur Versteigerung gelangt, war Teil einer der weltweit größten Juwelensammlungen. 1917 war er zuletzt auf dem Markt und brachte 1.060 Pfund, was einem heutigen Gegenwert von etwa 80.000 Pfund oder 100.000 € entspricht. Die Versteigerung dieser Preziose ist das Juwelen-Ereignnis des Jahres und entsprechend groß ist das Interesse von Sammlern, Juwelenliebhabern und Investoren. Bonhams rechnet mit Geboten zwischen 150.000 bis 200.000 Pfund.Der mit 50,13 Karat riesige, octagonal geschliffene Edelstein ist in eine silberne und goldene Brosche des 19. Jahrhunderts gefasst. Er ist fast so groß wie eine Pflaume und hat einen schönen dunkelrosafarbenen Ton. Rote Spinelle sind dem Rubin mitunter zum Verwechseln ähnlich. Beide stammen meist sogar aus den gleichen Gesteinsformationen, sind chemisch ähnlich aufgebaut sind und haben ähnliche Farben. Sehr große Spinelle sind jedoch häufig transparenter, mit weniger Einschlüssen oder "Fehlern" als Rubin. Und eben wegen dieser Transparenz und anderer Qualitäten ist der Hope-Spinell als außergewöhnlich einzustufen.
Ebenso beeindruckend ist seine Provenienz. Der Namensgeber, Henry Philip Hope, entstammte einer reichen Kaufmanns-Dynastie. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts betrieb seine Familie in Amsterdam eine der mächtigsten Handelsbanken. Dann übersiedelte er nach Großbritannien und ließ sich zusammen mit seinem älteren Bruder in London nieder, wo sie bedeutende Kunstsammlungen aufbauten. Henry Philip Hope trug über 700 Edelsteine zusammen und verwahrte sie in einem eigens angefertigten Mahagoni-Schrank. Die Schätze der Sammlung befanden sich in einer Kommode des 16. Jahrhunderts, darunter der Hope-Diamant, die Hope-Perle, ein Smaragd vom Turban des Tipu Sultan und der Hope-Spinell.
Emily Barber, UK-Direktorin der Schmuckabteilung: "Henry Philip Hope ist 1839 gestorben und hat ein Testament hinterlassen. Aber die Juwelensammlung ist darin nicht erwähnt - er wollte Erbschaftssteuern vermeiden und hatte die Hoffnung, dass die Sammlung so zusammengehalten werden könnte". Hope, der nicht verheiratet war, vermachte seine Juwelensammlung zu Lebzeiten insgeheim einem seiner Neffen. Aber seine Absicht ging nicht auf. Die Sammlung wurde Gegenstand einer Jahrzehnte währenden Erbschaftsfehde mit gerichtlichen Auseinandersetzungen und bitteren Vorwürfe.
Die anderen beiden Neffen dachten nach dem Tod des Onkels, sie wären mit der Sammlung bedacht worden und stritten um das Erbe. Schliesslich wurde beschlossen, dass der jüngere Neffe Alexander Beresford-Hope den Großteil der Sammlung erben sollte. Aber der ältere Bruder Henry Thomas Hope sollte acht der wertvollsten Steine bekommen, darunter der Hope-Diamant und der Hope-Spinell. Nach seinem Tod gingen diese in den Besitz seiner Witwe Anne Adele über. Ihre gemeinsame Tochter war mit einem verschwenderischen und notorischen Spieler verheiratet, dem 6. Herzog von Newcastle. Um jedoch die Hinterlassenschaft ihres Mannes erhalten zu können, vermachte sie den Hope-Bestand ihrem zweiten Enkel, Henry Francis Pelham-Clinton, mit verschiedenen Auflagen. Unter anderem sollte er den Namen Hope annehmen.
Wie Emily Barber weiter ausführte, brauchte er außerdem einen Gerichtsbeschluss, um die Hope-Steine überhaupt verkaufen zu können. Aber er war ebenfalls ein Spieler. Nur neun Jahre nach Erhalt des Erbes, Mitte der 1890-er Jahre, musste Lord Francis Hope Konkurs anmelden. Er bekam die gerichtliche Erlaubnis, den Hope-Diamanten 1901 an einen Händler zu verkaufen. Mittlerweile befindet sich das rare Stück im National Museum of Natural History (Smithsonian) in Washington. 1917 wurden alle noch verbliebenen Stücke über Christies's versteigert ("The Hope Heirlooms"). Der Hope-Spinell hatte die Losnummer 35. Er wurde von einem Händler erworben - für die bereits erwähnten 1.060 Pfund - und ging dann in die Sammlung von Lady Mount Stephen über.
"Lady Mount Stephen war eine enge Freundin von Queen Mary - die Mount Stephens standen in sehr gutem Kontakt zur britischen Königsfamilie. Sie schenkte der Königin Diamant-Halskette, die wahrscheinlich von Prinzessin Margaret an ihrem Hochzeitstag getragen wurde. Als die Großnichte ihres Mannes bei Hof vorgestellt wurde, lieh sie ihr den Hope-Spinell. Nach dem Tod von Lady Mount Stephen im Jahr 1922 ging der Stein an die die Nichte ihres Mannes, Elsie Redford, die zusammen mit ihrem Mann eine der bedeutendsten Kunstsammlungen Kanadas aufbaute. Später kam der Spinell in den Besitz von Redfords Enkelin, die auch Lady Mount Stephens Patentochter war".
Der jetzige Besitzer ist ein direkter Nachkomme, der den Stein immer als "Tante Gians (Lady Mount Stephen) Hope-Spinell" kannte. Es gibt auch eine handschriftliche Notiz, die besagt, dass es sich um einen Spinell-Rubin aus der Sammlung Hope handele. Emily Barber: "Wir haben den Spinell vom SSEF, einem der führenden gemmologischen Labore in der Schweiz, zertifizieren lassen und die Bestätigung erhalten, dass der Stein aus alten Minen stammt. Er wurde aufgrund seiner außergewöhnlichen Transparenz, seines tadellosen Schliffs, seiner schönen Farbe und seiner beeindruckenden Größe wegen als exceptional treasure of nature eingestuft".
In der Vergangenheit sind solche große Steine in den alten Kuh-i-Lal Minen in Tadschikistan gefunden worden, darunter der sogenannte Black Prince's-Rubin und der Timur-Rubin, die beide zu den britischen Kronjuwelen gehören. Beide werden als Rubine bezeichnet, obwohl es sich eigentlich um Spinelle handelt. Geographisch sind die Minen schwer zu erreichen und wurden waren aus politischen Gründen im 20. Jahrhundert zugänglich. Das macht Spinelle wie diese außerordentlich selten - auch ohne Hope-Provenienz.