Oskar Kokoschka, Gemaelde Gitta Wallerstein Oskar Kokoschka, Gemaelde Gitta Wallerstein - Mit freundlicher Genehmigung von: skd

Was: Presse

Wann: 10.07.2014

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erhalten eine einzigartige Schenkung: 80 Zeichnungen und Aquarelle aus der Privatsammlung Willy Hahn gelangen in den Bestand des Kupferstich-Kabinetts, wie Generaldirektor Hartwig Fischer heute im Rahmen eines Pressegespräches mitteilte. Die Schenkung verdankt sich dem Sohn des Sammlers Willy Hahn, dem früheren Direktor des Bauhaus-…
Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erhalten eine einzigartige Schenkung: 80 Zeichnungen und Aquarelle aus der Privatsammlung Willy Hahn gelangen in den Bestand des Kupferstich-Kabinetts, wie Generaldirektor Hartwig Fischer heute im Rahmen eines Pressegespräches mitteilte. Die Schenkung verdankt sich dem Sohn des Sammlers Willy Hahn, dem früheren Direktor des Bauhaus-Archivs Berlin, Peter Hahn, in dessen Eigentum die kunsthistorisch bedeutende Sammlung bisher stand. Damit verfügt das Kupferstich-Kabinett nun über einen Werkkomplex des österreichischen Malers und Zeichners Oskar Kokoschka von außerordentlichem Rang.

Der Musiker Willy Hahn (1896–1988) hatte diesen Bestand als Herzstück seiner Sammlung über viele Jahre in freundschaftlicher Verbundenheit mit dem Künstler zusammen-getragen. Etliche der Arbeiten entstanden in der Dresdner Schaffensphase Kokoschkas und haben damit einen unmittelbaren Bezug zu deren neuem Bestimmungsort.

Der Kontakt der Kunstsammlungen zu Peter Hahn geht bereits auf die umfassende Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen zum Thema „Kokoschka und Dresden“ 1996 zurück. Hauptwerke der Sammlung Willy Hahn waren in allen großen internationalen Kokoschka-Ausstellungen vertreten. In ihrer Gesamtheit wurde sie jedoch bisher nur einmal gezeigt, 2011 in der Sonderausstellung „Kokoschka als Zeichner. Die Sammlung Willy Hahn“ im Dresdner Kupferstich-Kabinett und in zweiter Station im Rupertinum in Salzburg. Hervorzuheben ist, dass Peter Hahn sich schon seinerzeit im Zuge der Vorbereitung dieser Ausstellung der Frage der Provenienzen der Werke angenommen hat und seine Sammlung diesbezüglich auf eigene Kosten wissenschaftlich erforschen ließ. So konnte ausgeschlossen werden, dass sich in dem Konvolut NS-Raubkunst befindet.

Bereits vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden die Erwerbung des Gemäldes „Gitta Wallerstein“ von Oskar Kokoschka geglückt ist. Durch beträchtliche Fördersummen des Freistaates Sachsen, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Kulturstiftung der Länder konnte das seit 2005 als Dauerleihgabe im Albertinum ausgestellte Werk für insgesamt 2,6 Millionen Euro von Peter Hahn angekauft werden. Auf Grundlage dieser Erwerbung in Verbindung mit der grandiosen Schenkung Peter Hahns werden die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden nun ihren Ruf als wichtiger Ort der Forschung zum Werk Oskar Kokoschkas weiter ausbauen können.

Der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Hartwig Fischer: „Für Museen ist es heutzutage kaum mehr möglich, Werke der Klassischen Moderne auf dem freien Kunstmarkt zu erwerben. Wir sind glücklich, dass die Erwerbung des Gemäldes „Gitta Wallerstein“ sowie die Schenkung von 80 Zeichnungen von Oskar Kokoschka jetzt zu einer so bedeutenden Erweiterung des Bestandes der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden auf diesem Gebiet geführt hat. Dies wiegt umso schwerer, als die Dresdner Sammlungen gerade hier durch das NS-Regime schwere Verluste erlitten haben. Viele glückliche Umstände mussten zusammenkommen, damit dies möglich wurde: An erster Stelle ist hier Peter Hahn zu nennen, der die Sammlung seines Vaters über Jahrzehnte bewahrt hat und dem es nun im Interesse der Herausbildung eines Forschungsschwerpunktes und mit Blick auf die Bedeutung Dresdens im Schaffen von Oskar Kokoschka ein besonderes Anliegen war, die bedeutende Sammlung seines Vaters in weitestgehender Geschlossenheit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zu schenken. Peter Hahn und seiner Familie kann ich nicht genug danken. Angesichts aktueller Debatten um den Umgang von Privatpersonen mit Sammlungen, die in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden, kann Peter Hahns Vorgehen als Vorbild dienen. Er hat ausschließen wollen, dass Werke in seiner Sammlung anderen zuvor durch das NS-Regime unrechtmäßig entzogen worden waren; so ergriff er die Initiative und beauftragte eine anerkannte Expertin mit der Erforschung der Provenienzen aller Blätter. Neben dieser einzigartigen Schenkung ist es dem zielstrebigen Handeln des Freistaates Sachsen, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Kulturstiftung der Länder zu verdanken, dass die Erwerbung des Gemäldes „Gitta Wallerstein“ möglich wurde. Sie alle haben eine für die Kunststadt Dresden und den Freistaat Sachsen sehr wichtige Bereicherung des Bestandes möglich gemacht."

Bernhard Maaz, Direktor des Kupferstich-Kabinetts und der Gemäldegalerie Alte Meister: „Die Zeichnungen und Aquarelle nehmen im Werk von Oskar Kokoschka eine herausragende Stellung ein. Die Sammlung Willy Hahn besticht durch ihre hohe, kunsthistorisch aussagekräftige Qualität, die im Rahmen einer monografischen Auswahl eine Seltenheit darstellt. Besondere Erwähnung verdienen die zwei Studien zur „Frau in Blau“. Sie bereiteten das gleichnamige Gemälde vor, das 1919 als erstes Werk des jungen Professors für die Dresdner Moderne Galerie im Semperbau erworben wurde und das dann im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt wurde – so erneuert sich über die Schenkung der Bezug zwischen Künstler und Institution.“

Peter Hahn, Kunsthistoriker, ehemaliger Direktor des Bauhaus-Archivs Berlin und Sohn des Sammlers Willy Hahn: „Die Schenkung setzt die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in den Stand, im Rahmen ihres Expressionismus-Schwerpunktes zu einem führenden Zentrum der Forschung und Erschließung des Werks von Oskar Kokoschka zu werden. In diesem Zusammenhang stehen auch die Themen der „Entarteten Kunst“ im Nationalsozialismus, die Rolle der Exilkünstler in der NS-Zeit und im Weiteren das Schicksal von Kunst und Künstlern im 20. Jahrhundert im Fokus. Ich bin davon überzeugt, dass die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden als international anerkannte Forschungs-einrichtung diese Aufgabe mit größtem Engagement und höchster fachlicher Kompetenz wahrnehmen.“

Joachim Fischer, Geschäftsführer der Ernst von Siemens Kunststiftung: „Der Ernst von Siemens Kunststiftung ist es ein zentrales Anliegen, die Erwerbung von herausragenden Kunstwerken für öffentliche Sammlungen zu unterstützen. Oskar Kokoschkas Porträt der Gitta Wallerstein ist nicht nur ein hervorragendes Werk des Expressionismus, es hat auch einen besonderen Bezug zu Dresden. Das Gemälde gehört nun der Allgemeinheit, es wird in einem namhaften Museum gezeigt. Und es wird in den Staatlichen Kunstsammlungen Gegenstand eingehender Forschung sein. Es freut mich sehr, dass die Ernst von Siemens Kunststiftung zu dieser wichtigen Erwerbung einen wesentlichen Beitrag leisten konnte.“

Martin Hoernes, stellvertretender Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: „Nachdem 1937 sechs bedeutende Gemälde Kokoschkas in Dresden abgehängt wurden, kehrt mit dem in der Elbestadt entstandenen Porträt Gitta Wallersteins nun wieder ein expressionistisches Meisterwerk des Künstlers nach Dresden zurück. Die Kulturstiftung der Länder engagiert sich seit Jahren für die Schließung der Lücken, die die Aktion „Entartete Kunst“ in vielen Museumssammlungen hinterließ. Es kann keinen besseren Ort für das Bildnis und die geschenkten Graphiken geben, da Dresden untrennbar mit dem Leben und Werk Kokoschkas verknüpft ist. Die Kulturstiftung der Länder freut sich, dies unterstützen zu können.“

Der Zeichner Oskar KokoschkaOskar Kokoschka (1886–1980) hat während seines gesamten künstlerischen Schaffens gezeichnet. Die ganze Spannweite zeichnerischer Mittel – Bleistift, Kohle, Kreide, Farbstifte, Pinsel und Rohrfeder in Tusche sowie Aquarell – nutzte er souverän, sei es für eine Skizze, eine Umdruckzeichnung oder ein eigenständiges Werk. Mit dem Dresdner Kupferstich-Kabinett ist Oskar Kokoschka in besonderer Weise verbunden. Im Jahr 1919 trat er eine Professur an der hiesigen Kunstakademie an, wo er bis 1923 wirkte. Im Kupferstich-Kabinett bemühte man sich schon bald, Werke des Künstlers zu erwerben. Kokoschka bedachte das Museum im Gegenzug mit einigen Schenkungen, die allerdings im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt wurden.

Die Sammlung Willy Hahn bietet die Gelegenheit, mit den Zeichnungen einem ganz zentralen Aspekt im Schaffen des Künstlers nachzuspüren. Sie präsentiert die Entwicklung des zeichnerischen Werks von Oskar Kokoschka anhand herausragender Beispiele. Der Bogen spannt sich von den frühen Figurenstudien aus Wien über die Selbstbildnisse und die einen Schwerpunkt markierenden Porträts der Dresdner Zeit bis hin zu den Landschaften und Naturstudien des Spätwerks. Die Schenkung erweitert auf hervorragende Weise den bisherigen Dresdner Bestand von elf Zeichnungen, 94 grafischen Blättern und vier Mappenwerken.

Biographie Willy Hahn (1896–1988)Willy Hahn wuchs in Köln auf. Nach dem Ersten Weltkrieg begann er ein Musikstudium, zunächst in Bonn, dann in Berlin. Während der 1920er und frühen 1930er Jahre hatte er Engagements als Kapellmeister in Aachen, Stuttgart und Stettin. Ab 1933 war er als freier Musiker beim Berliner Rundfunk tätig und Mitglied im „Berliner Trio an 3 Flügeln“, das mit Kriegsbeginn aufgelöst wurde. Während des Zweiten Weltkriegs war er Mitglied einer Kammermusikgruppe zur Truppenbetreuung. Seit etwa 1942 hatte er seinen Wohnsitz in Bad Aussee, ab 1947 in Grassau/ Oberbayern. Von 1952 bis 1971 lebte er in Stuttgart, dann bis zu seinem Tod in Tutzing/ Oberbayern.

Bereits auf der Kölner Sonderbundausstellung 1912 hatte Willy Hahn ein Gemälde Kokoschkas gesehen – wohl das auslösende Erlebnis für sein lebenslanges Interesse an moderner Kunst, das zu einer beeindruckenden Sammlung expressionistischer Werke führen sollte. Die Möglichkeit zum Sammeln hatte er als angehender junger Musiker zunächst kaum, doch er besuchte regelmäßig Ausstellungen und Galerien und stand bereits während seines Berliner Musikstudiums im persönlichen Kontakt mit zeitgenössischen Künstlern, darunter Emil Nolde. Später lernte er auch Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Max Beckmann kennen. Oskar Kokoschka begegnete Willy Hahn erst nach dem Krieg; dann aber entwickelte sich zwischen ihnen eine enge Freundschaft. Kokoschka beriet ihn und schenkte ihm eine Reihe wichtiger Arbeiten – diese persönliche Beziehung hat die Sammlung stark geprägt.

Katalog „Kokoschka als Zeichner. Die Sammlung Willy Hahn“Der Katalog „Kokoschka als Zeichner. Die Sammlung Willy Hahn“ (erschienen 2011 im Hatje Cantz Verlag), der neben der Sammlung auch die Forschungsergebnisse zur Entstehungsgeschichte der kompletten Sammlung Willy Hahn, zur Provenienz der Zeichnungen und zur Bedeutung der Zeichnung im Werk Oskar Kokoschkas präsentiert, stellen wir Ihnen als digitale Version gern zur Verfügung.

Oskar Kokoschka, Studie zur Frau in Blau Oskar Kokoschka, Studie zur Frau in Blau - Mit freundlicher Genehmigung von: skd / Oskar Kokoschka, Zwei Maedchen beim Ankleiden Oskar Kokoschka, Zwei Maedchen beim Ankleiden - Mit freundlicher Genehmigung von: skd /
Tags: Expressionismus, Moderne Kunst, Oskar Kokoschka, Sammlung Willy Hahn, Schenkung, Wiener Moderne

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