Laut Otto…
Laut Otto…
Laut Otto Piene hatte »Zero« die Bedeutung »Neubeginn«. In dem zerstörten Deutschland der Nachkriegszeit gründet er Ende der 1950er-Jahre zusammen mit Heinz Mack eine Bewegung, die auf »der Idee beruht, dass der Wiederaufbau mit den Mitteln der Kunst ins Werk gesetzt werden kann, wenn er vom Geist ausgeht. Aus der Initiative dieser jungen deutschen Künstler erwächst dann eine umfassende internationale Bewegung, die unter demselben Namen ZERO bekannt wird. In ihr versammeln sich so unterschiedliche wie bahnbrechende Figuren wie Fontana, Klein, Kusama, Manzoni, Alviani, Arman, Tinguely, Spoerri, Soto und andere. Sie alle eint der Wunsch, von Grund auf mit der künstlerischen wie der politischen Vergangenheit aufzuräumen und neue Formen des Schöpferischen auf den Trümmern der alten Welt zu ersinnen. Als führender Kopf der Gruppe erforscht Otto Piene über seine gesamte Laufbahn unermüdlich die unterschiedlichsten und innovativsten Formen plastischen Schaffens (Malerei mit Feuer, Skulpturen aus Edelstahl, bemalte Keramik, kinetische Installationen, Film, Performance, Sky Art …). In dieser fortwährenden Neuerfindung der Kunst hat Otto Piene nie aufgehört, den Sinn der künstlerischen Geste zu hinterfragen.
Gleichsam als Spiegel der experimentellen Kreativität Pienes präsentiert die Ausstellung eine Reihe bemalter Keramiken, Feuerbilder, Gouachen auf Papier sowie eine Lichtinstallation. Die Auswahl umkreist die basale Kombination der Farben Rot und Schwarz in Pienes Œuvre. Den Titel Le Rouge et le noir verwendete der Künstler für mehrere Werke sowie verschiedene Medien, etwa bemalte Keramik, Öl und Feuer auf Leinwand oder Lichtinstallationen wie die 2011 im Pariser Grand Palais gezeigte. Le Rouge et le noir lautete auch der Titel seiner Keramikausstellung im Leopold-Hoesch-Museum in Düren im Jahr 2010. Als Anklang an den Roman von Stendhal stehen die beiden Farben in Pienes Œuvre für die Leidenschaft und das Streben nach dem Absoluten. Rot und Schwarz sind auch die Farben des Schmelzvorgangs von Materie, der Anblick, der sich einem bietet, wenn man in den Ofen schaut, in dem die Keramik gebrannt wird. Wie Miró hat sich auch Piene in denselben Jahren der Keramik zugewandt: um sich mit der Materie als solcher, mit den Elementen auseinanderzusetzen; um zu einer archaischen Geste zurückzukehren, um an den prähistorischen Künstler zu erinnern, der dem unbehauenen Material eine einzigartige Form verleiht, der die Steine zum Sprechen bringt. Die imposante blutrote Keramik Red Bulls (2011) stellt ein Quartett von Stieren dar, die einer Wandmalerei aus einer prähistorischen Höhle zu entstammen scheinen. Die Skulptur war 2013 in der Energy Fields betitelten Ausstellung von Piene im Museum ZKM in Karlsruhe zu sehen. Was diese kraftvolle Keramik im Besonderen und die Ausstellung überhaupt hinterfragt, ist die fundamentale Energie, die den Ursprung aller Kunst bildet. »In meinen Keramiken«, so Piene, »kommen die vier Elemente zusammen: das Fließen von Wasser - kombiniert mit Ton -, das später im Feuer des Brennofens verdampft und von der Luft getrocknet wird«. Zu den Wurzeln der Kunstgeschichte zurückzukehren, um sie ganz neu zu schreiben, kann man als den Geist von ZERO bezeichnen, der Bewegung, die Piene initiiert hat. Wenn man bedenkt, wie viele junge Künstler sich heute, im Westen wie in Asien, der Keramik zuwenden, dann kann man ermessen, wie visionär Piene in seiner Rückkehr zu diesem Material war.
Den Arbeiten der letzten Serien von Otto Piene werden in der Ausstellung die Werke aus der ersten Schaffensphase des Künstlers gegenübergestellt. Damit bildet die Schau eine Art kleiner Retrospektive: So zeigt das mit Öl, Feuer und Rauch auf Leinwand gemalte Bild Die Geburt des Regenbogens (The birth of the rainbow, 1966) die Kontinuität in der Verwendung von Feuer im Œuvre von Piene sowie seinen Dialog mit dem Werk von Yves Klein, einem Freund und Weggefährten Pienes. Mit Piene, wie auch mit Klein, wird das Feuer zu einer Kunstform, in der die Künstler, beide Kriegskinder, vorführen, dass das Feuer der Kanonen auch zum Instrument der Maler werden kann; dass der Zerstörung durch das künstlerische Schaffen widersprochen werden kann. Das Himmelsfeuer wird zu Feuerorgel (Fire Organ, 1972), einem Feuergemälde auf Karton, wo Piene, allem Anschein nach, das Herz der Schöpfung zeigen will. Und auch für seine Installationen wie die hier vorgestellte Lichtraster o. T. (2012-2014) bildet das gleichermaßen erhabene wie beunruhigende Himmelslicht die Basis. Das Licht ist hier das grafische Element, das dem Bild Form und Bedeutung verleiht. Oder, wie Otto Piene einmal erklärt hat: »Das Licht war das verbindende Element und sozusagen der Schlussstein unserer Kunst.
Die Ausstellung wird begleitet von einem originellen Essay von Jerome Neutres, dem ehemaligen Direktor der Réunion des musées nationaux - Grand Palais (dt. »Vereinigung der Nationalmuseen - Grand Palais«) und ehemaligen Präsidenten des Musée du Luxembourg. Unter dem Titel »Der Grad Null der Kunst« (Le Degré zéro de l’art) stellt der Text die Grundlagen der Arbeit Pienes in den größeren Kontext der Geschichte der zeitgenössischen Kunst ab dem Zweiten Weltkrieg bis heute. Piene erscheint darin als eine der Schlüsselfiguren dieser Geschichte, welche die Tendenzen und Brüche erhellt, die die Kunst seit 60 Jahren kennzeichnen.
Otto Piene
Rouge et noir
vom 08. Mai bis 30. Juni 2022
Galerie Gmurzynska USA
43 East 78th Street
NY-10075
United States of America
FÜR MEHR INFORMATIONEN ÜBER DIE GALERIE UND IHR PROGRAMM BESUCHEN SIE BITTE http://www.gmurzynska.com/
Kontakt:
Mathias Rastorfer
über mathias.rastorfer@gmurzynska.com
oder unter +41 44 226 70 70
Montag bis Samstag 11:00 bis 18:00
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